: Preissenkung bald auch beim Gas
Während auf dem Strommarkt die Preise purzeln, köchelt der Wettbewerb auf dem Gasmarkt auf kleiner Flamme. Doch das Bundeskartellamt treibt auch dort die Liberalisierung voran. Öffnung ab 2000 ■ Von Volker Siebert
Berlin (taz) – Bei Dietrich Appel im Bundeskartellamt stapeln sich die Aktenordner mit Preismissbrauchsverfahren von Mietern und Hausbesitzern, die sich über zu hohe Gasrechnungen beschweren. „In der anstehenden Heizperiode wird es zur Zunahme der Beschwerden kommen“, ist sich der Wettbewerbshüter sicher. „Zum einen, weil die Kunden seit Einführung der Ökosteuer noch keine Rechnung bekommen haben, und zum anderen, weil die Gaspreise zur Zeit kräftig steigen.“
Das Niveau ist ohnehin schon hoch. Die Kunden in Deutschland zahlen 20 bis 30 Prozent mehr für Erdgas als im europäischen Durchschnitt. Daran hat auch die Aufhebung der Monopole durch die Richtlinie der Europäischen Union vor zwei Jahren nichts geändert. Im Gegensatz zum Strommarkt, wo die Preise teilweise über 30 Prozent gepurzelt sind, geht es beim Gas in die entgegengesetzte Richtung – noch.
Die Ursache liegt in einer überkommenen Preisbildung. Der Preis für Gas wird nicht durch das freie Spiel der Kräfte ermittelt, sondern ist an den von Rohöl gekoppelt. Die Gaserzeuger wollten damit verhindern, dass ihre langfristigen Investitionen in die Gas-Infrastruktur durch den Wettbewerb mit dem Hauptenergiekonkurrenten Erdöl gefährdet werden. Bernd Schutt vom Verband der großen Energiekunden (VIK) ist aber überzeugt, dass die Tage der Ankopplung gezählt sind. „Es gibt eine ernsthafte Diskussion, dass Erdgas anders bewertet werden muss als Erdöl, weil seine Bedeutung auf dem Energiemarkt wächst.“ Bereits heute werden 70 Prozent der neuen Einfamilienhäuser mit Ergasheizung ausgestattet, und bei der Stromgewinnung holt Erdgas gegenüber Atom, Kohle und Erdöl kontinuierlich auf. Prognosen gehen von einer Steigerung von 21 Prozent in den kommenden Jahren auf 25 Prozent aus. Experte Schutt ist sich sicher: „Erdgas wird sich am sinkenden Strompreisniveau messen lassen müssen.“ Wenn der Strompreis fällt, kann der Gaspreis nicht hoch bleiben.
Was die Verbraucher freut, ärgert die Gasanbieter. Denn die haben bislang an den deutschen Gaskunden vortrefflich verdient. Allen voran der Gigant Ruhrgas, der einen Marktanteil von 70 Prozent hält. Für die Hauptanteilseigner Shell, BP und Esso ist die Ruhrgas noch immer eine vortreffliche „Cash Cow“, sagt ein Beobachter.
Mittlerweile holen die Konkurrenten der Ruhrgas AG zwar auf – allen voran die BASF-Tochter Wingas. Doch ein richtiger Wettbewerb ist noch nicht in Gang gekommen. Der deutsche Markt ist für Mitglieder der Verwertungskette ein lukratives Geschäft – vom Erzeuger bis zum verteilenden Stadtwerk. Da will keiner von sich aus die Preise ruinieren. Zu dem unausgesprochenen Stillhalteabkommen kommt noch ein weiterer Grund für den schleppenden Einstieg in den Wettbewerb. Gas kann nur in Leitungen zum Kunden geliefert werden, und die gehören im Ferngasbereich entweder der Ruhrgas oder der Wingas und im Endverteilerbereich den Stadtwerken. Bevor es zu einem Wettbewerb kommt, muss klar sein, wieviel die Durchleitung des Gases der Konkurrenz kosten soll. Das Bundeskartellamt schafft gerade die Voraussetzungen für den ungehinderten Transport fremden Gases: Die Behörde genehmigt die Fusion zwischen den Unternehmen VEW und Westfälische Ferngas AG nur, wenn beide sich zur Durchleitung verpflichten. Ähnlich wie beim Strom verhandeln die zuständigen Verbände über eine Vereinbarung. „Bis Ende 1999 soll sie fertig sein“, sagt Christoph Riegert, der Sprecher des Bundesverbandes der Gas- und Wasserwirtschaft. „Bis dahin haben wir Stillschweigen vereinbart.“ Kartellamtsmitarbeiter Schutt wagt trotzdem eine Prognose: „Wenn der Wettbewerb einsetzt, werden die Gaspreise um 20 bis 30 Prozent fallen.“ Pro Privathaushalt würde das eine Ersparnis von etwa 140 bis 400 Mark im Jahr bedeuten.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen