■ Die USA und ihre Jugendlichen
: Bei Dunkelheit gilt Ausgangssperre

Amerika ist ein jugendliches Land, ein Land der Jugend“, sagte Ronald Reagan vor Jahren. Tatsächlich aber sind die USA ein Land, in dem die Jugendfeindlichkeit zu- und der Spielraum von Jugendlichen und Kindern ständig abnimmt.

Bevor US-Jugendliche einen Führerschein haben, sind sie in ihrer Bewegungsfreiheit eingeschränkt – nicht zuletzt eine Folge der Siedlungsgeografie. Denn die Kids wohnen abseits geeigneter Treffpunkte in Suburbs, und da, wo sie sich treffen können, in Einkaufszentren oder auf den riesigen Parkplätzen, ist das Skateboard-, Rollschuh- oder Fahrradfahren meist streng verboten. In 40 Städten bestehen nach Einbruch der Dunkelheit Ausgangssperren für Jugendliche, in manchen Städten sogar tagsüber während der Schulzeit.

Gravierender allerdings ist die Einschränkung der Bewegungsfreiheit durch die Strafgerichte: In den USA sitzen Jugendliche in Gefängnissen, weil sie Schule schwänzen, von zu Hause weggelaufen sind, elterliche oder gesetzliche Ausgehverbote missachtet haben, weil sie bei Ladendiebstählen oder mit Marihuana in der Tasche erwischt wurden. Einige besonders absurde Fälle aus Georgia: Ein 12-Jähriger sitzt, weil er durch ständiges Anrufen einen Nachbarn nervte, eine 14-Jährige, weil sie Graffiti malte, eine 16-Jährige, weil sie den Befehlen ihrers Vaters nicht folgte und im Zimmer ihre Sachen herumwarf.

Die Jugendstrafrechtsnovelle aus dem Jahr 1997 sagt jenen Staaten Bundesmittel zu, die Jugendliche bereits ab 14 strafrechtlich als Erwachsene behandeln. Nach neusten Untersuchungen werden jährlich 200.000 Kinder und Jugendliche durch die Strafgerichtsbarkeit für Erwachsene geschleust. 7.000 Kinder verbringen demnach bis zu neun Monaten in Untersuchungshaft. 11.000 sitzen in Gefängnissen für Erwachsene langfristige Haftstrafen ab. Zurzeit warten 70 Verurteilte, die zur Tatzeit unter 18 Jahre alt waren, auf ihre Hinrichtung.

Der Krieg gegen die Kinder gründet sich auf das Phantom des jugendlichen Supertäters. Tatsächlich aber sinkt die Jugendkriminalität seit 20 Jahren, während die der Erwachsenen steigt. Elf von zwölf Morden begehen Erwachsene. Wegen Gewaltverbrechen wurde nicht einmal ein Prozent der einsitzenden Jugendlichen verhaftet. Doch 40 Prozent der Kinder leben nahe oder unter der Armutsgrenze. Von den fast 50 Millionen US-Amerikanern, die nicht krankenversichert sind, sind 60 Prozent Kinder. Heute übersteigt die Zahl der Jugendlichen, die durch Selbstmord sterben, die Zahl derer, die ermordet werden.