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Die Königin der Gefühle

■ Ob in London, New York oder auf Mallorca – auf deutsche Mädchen wartet das Glück. Die Reiseromanserie „Lovetrips“ setzt voll auf die Liebe, Infos zum Land gibt es gratis dazu

Die Liebe kennt keine Grenzen, zumindest keine kulturellen. Ob in Rom, Paris oder New York, wenn deutsche Mädchen reisen, finden sie immer einen verständnisvollen, gutaussehenden und liebesbedürftigen Jüngling. So beschreibt es Natalie John in ihren bisher insgesamt fünf Romanen der Serie „Lovetrips“ des Dino-Verlags aus Stuttgart. Halbwegs gut aussehen müssen die Mädchen schon, aber nicht zu gut. Schließlich soll die anvisierte Zielgruppe – 14- bis 16-jährige Mädchen – sich mit den Heldinnen auch identifizieren können.

Aufgeschlossen, warmherzig, schlank, schick, aber nicht übermäßig gestylt: Das ist das Ideal weiblicher Jugendlicher, hat die Marketingabteilung des Verlags herausgefunden.

Birgit Lörler, zuständig für Konzept und Redaktion der Serie, sieht es pragmatisch: „Ursprünglich wollten wir Reiseführer für Jugendliche machen. Aber die würden in den Buchhandlungen zwischen Dumont und ähnlichem untergehen. Dort schauen die Jugendlichen sowieso nicht hin. In die Abteilung Jugendbuch schon.“ Also keine Sachbücher, sondern Romane, voller Gefühl, aber auch unter Einbezug der damit verbundenen Probleme.

In New York lernt die 17-jährige Nena Rick kennen, den Freund der ebenfalls noch nicht volljährigen Lynne, die ihr die Stadt zeigen soll. Nena und Rick fühlen sich instinktiv voneinander angezogen und landen auch prompt im Bett miteinander. Das ist wunderschön. Aber Nena bekommt sofort Gewissensbisse. Sie kann Lynne nicht mehr in die Augen schauen, und wenn ihr Freund Sebastian aus Deutschland anruft, bringt sie es nur zu einem mühsamen Stottern. Aber sie weiß, sie liebt Sebastian und als er sie – zurück in Deutschland – vom Flughafen abholt, ist sie sehr glücklich. Mit Rick war es sehr schön, aber eine Zukunft hat die Geschichte nicht.

Zweck der sehr einfühlsam dargestellten Übung ist eine kleine Unterweisung in Sachen Realismus. Urlaubsflirts sind toll, aber das Leben geht weiter.

Urlaubsflirts, hat Birgit Lörler herausgefunden, sind für viele Mädchen eine durchaus zwiespältige Sache. Einerseits träumen sie davon, einen tollen Typen kennen zu lernen. Andererseits sind sie völlig überfordert, wenn es tatsächlich dazu kommt. Hat die Beziehung eine Chance? Wie ist es mit dem daheim gebliebenen Freund? Die Krise endet nicht selten in Selbstmordgedanken, das belegen Leserinnenbriefe in Jugendmagazinen wie Bravo.

Die Bücher kommen absichtlich sehr einfach daher. Selbst TV-gewohnte Legastheniker sollen eine Chance haben. Extrem kurze Kapitel, schnelles Tempo. Konzept und Typologie der Handlungsstränge sind exakt festgelegt. Die Liebesgeschichte steht im Vordergrund, sie soll die Information über Land und Leute transportieren, politisch korrekt natürlich.

Es ist nicht weiter verwunderlich, dass bei derart festgelegten Vorgaben die Handlung zum Teil aufgesetzt wirkt. Selbst ernannte Reiseführer halten immer mal wieder unmotivierte Monologe (Kultur!), das Kennenlernen verläuft manchmal unglaubwürdig. Wenn ein schüchterner Spanier eine schüchterne Deutsche in einem Museum trifft, warum soll er sie dann ansprechen? Und warum geht sie so locker damit um? Offene Fragen, aber irgendwie muss sich ja das Glück seinen Weg bahnen.

Der Begeisterung der Leserinnen tun diese Holprigkeiten jedenfalls keinen Abbruch. Zum Absatz befragt, meint Birgit Lörler: „Wir sind sehr zufrieden.“ Liebe kommt eben gut. Martin Hager

Natalie John, Lovetrips. Rom, London, Paris, New York, Mallorca, Dino Verlag Stuttgart, 1998–99, je ca. 220 S., je 19,80 DM. Jeder Band enthält einen City-Guide mit Tips und Infos für die eigene Reise. Außerdem wunderschöne geflügelte Herzen zum Aufkleben. Für „Erwachsene“ bietet Natalie John die „Gebrauchsanweisung für New York“ (Piper 1996, 28 DM). Auch unterhaltsam, aber mit weniger Gefühl.

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