piwik no script img

Panzerlieferung, die nächste

Selbst in der überarbeiteten Form lehnen die Grünen die Waffenexport-Richtlinien ab. Ihre Verteidigungspolitikerin Beer fordert „koalitionsinterne Glasnost“. Kanzler gibt sich unbeeindruckt  ■   Von Karin Nink und Patrik Schwarz

Berlin (taz) – Die Grünen lehnen die Richtlinien der Bundesregierung für den Waffenexport auch in ihrer überarbeiteten Form ab. In der rot-grünen Koalitionsrunde am Montagabend werden die Grünenvertreter auf eine Änderung des vorliegenden Entwurfs dringen, der vom Bundessicherheitsrat bereits abgenickt wurde und am Mittwoch im Kabinett verabschiedet werden soll. „Es reicht nicht, ein oder zwei Wörter zu ergänzen, um die grüne Seele zu beruhigen“, kündigte die verteidigungspolitische Sprecherin der Bundestagsfraktion, Angelika Beer, gegenüber der taz an. Die Bedeutung der Menschenrechte als Kriterium für Exporte dürfe nicht nur in der Präambel auftauchen, wie es der Entwurf vorsehe.

Darüber hinaus sieht Beer die derzeitige strikte Unterscheidung zwischen Lieferungen in Nato- und in Nicht-Nato-Länder als problematisch an. Von Ersteren heißt es in den Richtlinien, der Export von Rüstungsgütern dorthin „ist grundsätzlich nicht zu beschränken“, Ausnahmen seien nur „in Einzelfällen“ und „aus besonderen politischen Gründen“ denkbar. Nach Beers Ansicht muss auch für Nato-Mitglieder der Menschenrechtsvorbehalt gelten.

An die Adresse von Bundeskanzler Schröder gerichtet forderte Beer gestern „koalitionsinterne Glasnost“ bei bisher eingegangenen Anträgen auf Waffengeschäfte. Sie wolle wissen, „was wurde bewilligt, was wurde abgelehnt, was liegt auf dem Tisch?“ Über entsprechende Auskünfte ließe sich in der Koalition Geheimhaltung verabreden, sagte Beer. „Es darf aber nicht sein, dass das Parlament nur auf Zeitungsschlagzeilen reagiert.“

Regierungssprecherin Charima Reinhardt erklärte unterdessen in Berlin, der Kanzler werde bei der Koalitionssitzung am Montag darlegen, was er von Plänen der Grünen halte, gegen die Lieferung eines Testpanzers an die Türkei die Bevölkerung zu mobilisieren. Dies hatte Grünen-Geschäftsführer Reinhard Bütikofer zuvor in der taz angekündigt. Dem Tagesspiegel sagte Schröder, er halte die Einwände gegen die Panzerlieferung „für hergeholt“. Angelika Beer darauf zur taz: „Ich wünsche mir, dass Herr Schröder den Lagebericht des Auswärtigen Amtes zur Türkei liest, bevor wir uns treffen.“ Darin seien die Menschenrechtsverletzungen zutreffend dargestellt.

Den „Politischen Grundsätzen für den Export von Kriegswaffen und sonstigen Rüstungsgütern“ widerspricht auch ein Antrag der Parteilinken für den Parteitag der SPD im Dezember in Berlin. Mit dem Papier, das unter dem Eindruck des Kosovo-Kriegs und vor dem Beschluss der Panzerlieferung in die Türkei formuliert wurde, wollen die Linken darauf hinwirken, dass künftig auch innerhalb der Nato und Europäischen Union keine Waffen mehr vorbehaltlos verkauft werden sollen.

In dem Antrag des Frankfurter Kreises, der eine betont kritische Haltung zur Nato und zu den USA erkennen lässt, heißt es: „Die Bundesrepublik muss darauf hinarbeiten, dass innerhalb von EU und Nato ein striktes Rüstungsexport-Verbot beachtet und gemeinsame Konversionsmaßnahmen unterstützt werden.“ Die Autoren fürchten, dass die Nato „in Zukunft noch stärker als Instrument zur Durchsetzung amerikanischer Interessen herangezogen wird“.

Kritisch äußert sich auch Jürgen Grässlin, Mitglied im Vorstand des Rüstungs-Informationsbüro (RIB) und Sprecher der Kritischen Aktionäre DaimlerChrysler: „Mit der jetzigen Neuformulierung der Politischen Grundsätze schafft Rot-Grün auf Jahrzehnte hinaus die rechtliche Grundlage, um weiterhin Waffenlieferungen im Interesse der deutschen Rüstungsindustrie zu legalisieren.“

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen