■ Vorlauf: Bitter mit Bären
„Es war einmal ein Zirkus“, 20.15 Uhr, Arte
Wenn man (z.B. als Wessi) durch den Osten fährt, kann man's ja verstehen, dass es offensichtlich keinen Ossi gibt, der sich vor laufender Kamera an die alten Zeiten erinnern und sagen möchte: „Ich bin froh, dass jetzt alles so ist, wie's ist.“
Andererseits sitzen so immer und immer bloß ostdeutsche Menschen in Wohnzimmerambienten, als säßen sie schon seit zehn Jahren da, und machen ein Gesicht zum Wegzappen: „Ich kann's nicht anders sagen“, sagt dann z.B. Christine Samel, „ich gebe einfach der Bevölkerung die Schuld; die hat es zugelassen, dass hier etwas gestorben ist, was eigentlich erhaltenswert gewesen wäre ...“ Und wenig später fügt sie hinzu: „Auf was soll ich stolz sein? Darauf, eine gescheiterte Existenz zu sein?“ Auch Franz und Petra Sperlich seufzen: „Was soll man machen? Man kann ja nur hoffen ...“ Und die 72-jährige Ursula Böttcher gibt, so sagt's uns die Arte-Reportage, vor lauter Verbitterung schon gar keine Interviews mehr.
Was nutzt es da, dass die Böttcher und die Sperlichs früher mal angesehene Bären-Dompteure des DDR-Staatszirkus waren und ihre Dressurnummern internationale Publikumsmagneten? Was half's, dass die gute Frau Samel Mitte der 90er noch einen allerletzten Versuch unternahm, die über 30 Jahre alte Ostmanege-Tradition zu retten? Am Ende blieben die Ränge leer.
Vielleicht sind Uwe Lothar Müllers Aufzeichnungen der letzten Überbleibsel deutschdemokratischer Menschen, Tiere, Subventionen ja exemplarisch. Doch für was? Dafür, dass ein unzeitgemäßes Unterhaltungsangebot irgendwann nur noch den Liquidator interessiert? Oder wie schlimm es nun mal ist, wenn arglose Arbeitslose hilflos mit ansehen, dass da ihr Lebenswerk abgewickelt wird?
Was also zeigen uns die Archivbilder leuchtender Kinderaugen und die Schnappschüsse von den Verleihungen Vaterländischer Verdienstorden, mit denen uns Müller die vergangenen Zeiten illustriert? Da war noch DDR? Nein. Womöglich war da einfach noch nicht RTL! csch
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