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Ostwärts von Nord nach Süd – um Hamburg herum

■ Neues Konzept für Güterverkehr mit Skandinavien auf der Schiene vorgestellt

Martin Schmidt ist gut gelaunt: „Das ist alles goldrichtig“, kommentiert der verkehrspolitische Sprecher der GAL die Neuigkeiten aus Kiel. Die firmieren unter dem Titel „Wie Schleswig-Holstein den Güterverkehr der Zukunft bewältigen kann“, wurden gestern vom Verkehrsexperten der Nord-Grünen, Karl-Martin Hentschel, vorgestellt und haben erhebliche Auswirkungen auch auf Hamburg. Denn die Hansestadt ist – auf der Straße wie auf der Schiene – das Nadelöhr im Nord-Süd-Verkehr.

Der „Eckpunkt“ des Konzepts sieht eine östliche Umgehung Hamburgs auf der Schiene vor. Es mache „keinen Sinn“, so Hentschel, den wachsenden Güterverkehr „weiterhin von Westen her durch Hamburg hindurchzuführen“. Im Kieler Verkehrsministerium des parteilosen Ministers Horst Bülck wird diese These „sehr kritisch“ betrachtet. Eine Ostumgehung der Hansestadt stehe „nicht zu Diskussion“.

Hentschel hingegen geht davon aus, dass sein Papier „konsensfähig“ ist. Er kündigte an, es „unverzüglich in die Koalitionsgespräche“ innerhalb der rot-grünen Regierung an der Kieler Förde einzubringen. Denn alle Überlegungen basierten, so Hentschel, auf dem im Frühjahr vorgelegten Güterverkehrsgutachten, dessen Erstellung SPD und Grüne im Koalitionsvertrag 1997 vereinbart hatten. Der Güterverkehr von und nach Skandinavien solle künftig über zwei Hauptachsen verlaufen: 1: Flensburg - Neumünster - Bad Oldesloe mit Anschluss an die Strecke Lübeck - Hamburg, 2: Kopenhagen - Puttgarden - Lübeck - Hamburg.

Die Hansestadt an der Trave würde dadurch zu einem Knotenpunkt im Güterverkehr auf der Schiene. Von Lübeck würden die Züge ostwärts über Bad Kleinen nach Rostock und Berlin geleitet; südwärts würde die Strecke über Büchen und Lüneburg zur Trasse Hamburg - Rangierbahnhof Maschen - Hannover geführt werden.

Erforderlich dafür wäre, die Strecke zwischen Hamburg und Lübeck „mit hoher Priorität zu elektrifizieren“ und sie dreigleisig auszubauen sowie der zweigleisige Ausbau der Strecke von Neumüns-ter nach Bad Oldesloe. Zu den Akten gelegt würde dafür die Planung der Bahn und des Landes Schleswig-Holstein, die Bahnstrecke von Elmshorn über Pinneberg nach Hamburg dreigleisig auszubauen. „Diese Entscheidung“, so Hentschel, „sollte revidiert werden“.

Da aber liegt der voraussichtliche Knackpunkt des Konzeptes. Bahn, Bülck und der sozialdemokratische Teil der rot-grünen Regierung in Kiel haben sich auf diese westliche Transitstrecke festgelegt, um den Schienenverkehr zwischen Hamburg und Dänemark zu bündeln. Eine Verlagerung auf die Ostvariante würde zusätzliche Investitionen in vermutlich dreistelliger Höhe erfordern – und den Bau der Fehmarnbelt-Querung als Straßen-Schiene-Brücke unumgänglich machen. Diese Verbindung indes lehnen die Grünen ab. Wie die zusätzlichen Güterwaggons dann aber zügig über den Fehmarnbelt gebracht werden sollen, bliebe offen. Sven-Michael Veit

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