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Erst debattieren, dann signieren

■  Morgen sollen die Berliner Wasserbetriebe verkauft werden. Doch die Opposition setzt kurzfristig eine Sondersitzung des Parlaments durch und will die Verträge noch ändern

Der geplante Teilverkauf der Berliner Wasserbetriebe (BWB) wird ein parlamentarisches und juristisches Nachspiel haben. Bevor morgen die Senatsvertreter die Füller zücken und die Verträge mit dem Erwerber-Konsortium um RWE/Vivendi unterzeichnen können, werden sie kurz im Abgeordnetenhaus vorbeischauen müssen. Die Oppositionsfraktionen PDS und Grüne haben gestern eine Sondersitzung des Parlaments durchgesetzt, um den Vollzug des BWB-Verkaufs zu verhindern.

Nach Ansicht der Opposition müssen „die Verträge gemäß der Entscheidung des Verfassungsgerichts“ nachgebessert werden. Die Richter hatten zwei Klauseln des Privatisierungsgesetzes für nichtig erklärt und die Einhaltung des Demokratieprinzips in den Wasserbetrieben angemahnt. RWE/ Vivendi wollen für insgesamt 3,3 Milliarden Mark 49,9 Prozent der BWB-Anteile erwerben.

Parlamentspräsident Herwig Haase (CDU) trommelt nun die Mitglieder des alten Parlaments zusammen. Termin: morgen, 10 Uhr. Der Antrag der Opposition kann mit der Mehrheit der alten Großen Koalition abgelehnt werden – falls sie zusammenkommt. Haases Appell an die Redaktionen: „Fernsehen und Hörfunk werden gebeten, auf diesen Termin noch heute möglichst mehrmals hinzuwesen, weil möglicherweise nicht alle Mitglieder des Abgeordnetenhauses direkt benachrichtigt werden können.“

Der Verkaufsbeschluss bedeute eine dreifache Brüskierung, kritisierte gestern die Grünen-Fraktionschefin Renate Künast. „Der Senat ignoriert damit das Verfassungsgericht, das Parlament sowie die Kunden und Kundinnen der Wasserbetriebe“, so Künast. Schließlich gingen alle Risiken zu Lasten des Landes, sagte Künast. In den Verträgen hatte sich das Land verpflichtet, eventuelle Rendite-Ausfälle der privaten Investoren auszugleichen. „Innerhalb von zehn Jahren kann da eine Milliarde Mark zusammenkommen“, rechnete PDS-Fraktionschef Harald Wolf vor.

Schwerwiegender sei aber noch, dass die Bestimmungen in den Verträgen im Widerspruch mit der vom Gericht vorgenommenen Auslegung des Gesetzes stünden, so Wolf. Dies betrifft vor allem die Frage, ob in dem öffentlich-privaten Unternehmen letztlich die Vertreter des Landes oder der Konzerne das Sagen haben. Bei Entscheidungen des BWB-Weisungsausschusses sei die vom Gericht geforderte doppelte Mehrheit der Landesvertreter nicht zwingend vorgeschrieben, kritisiert Wolf.

In dem wichtigen Ausschuss sitzen drei Vertreter des Landes sowie ein Unternehmens- und ein Beschäftigtenvertreter. Laut Konsortialvertrag werden hier Entscheidungen mit einfacher Mehrheit gefällt. Es könnte also der Fall eintreten, dass zwei Vertreter des Landes – die Mehrheit der Landesvertreter – vom Rest überstimmt werden. Das Gericht habe aber in seiner Urteilsbegründung gefordert, dass Entscheidungen in dem neuen Unternehmen immer von der Mehrheit der demokratisch legitimierten Landesvertreter getragen werden müssten, argumentiert Wolf. Deshalb seien die Verträge verfassungswidrig und müssten geändert werden. Andernfalls bliebe nur der erneute Gang vors Verfassungsgericht.

Richard Rother

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