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Wehrmachtsausstellung wird kleiner

Das Hamburger Institut für Sozialforschung gesteht ein, auf die Vorwürfe des Historikers Bogdan Musial nicht „angemessen eingegangen“ zu sein – und kritisiert damit Ausstellungsmacher Heer  ■   Von Daniel Haufler

Berlin (taz) – Wissenschaftliche Institute reagieren selten auf Kritik. Und wenn sie es tun, dann erst nach Monaten, abgewogen und fußnotenschwer. So viel Zeit hatte das Hamburger Institut für Sozialforschung diesmal nicht, denn seit Tagen griffen zahlreiche Zeitungen dessen historische Ausstellung „Vernichtungskrieg. Verbrechen der Wehrmacht 1941 bis 1944“ vehement an.

Die Basis für die allgemeine Kritik lieferten zwei Fachaufsätze von Bogdan Musial und Krisztian Ungvary. Musial will in den Viertelsjahrsheften für Zeitgeschichte nachweisen, dass wenigstens neun der 801 Bilder in der Ausstellung keine Verbrechen der Wehrmacht zeigten, obwohl sie so ausgewiesen seien. Weiter noch geht der ungarische Historiker Krisztian Ungvary. In der Zeitschrift Geschichte in Wissenschaft und Unterricht behauptet er: Nur zehn Prozent der ausgestellten Bilder stellten überhaupt Wehrmachtsverbrechen dar. Beide Historiker unterstellten den Hamburger Ausstellungsmachern ein tendenziöse und letztlich agitatorische Bildauswahl.

Am Montag dieser Woche verteidigte Ausstellungsorganisator Hannes Heer in einem Spiegel-Interview seine Darstellung der Wehrmacht. Allerdings räumte er ein, dass einige Bilder falsch ausgewiesen worden seien, da deren Zuordnungen aus Archiven und historischen Sammlungen ungeprüft übernommen worden wären.

Gestern nun folgte eine längere Presseerklärung, unterzeichnet von Jan Philipp Reemtsma, dem Leiter des Hamburger Instituts, und von Brigadegeneral a. D. Winfried Vogel, der den Förderverein der Ausstellung vertritt. Beide bedauerten, dass die „für die Ausstellung Verantwortlichen nicht auf jeden Kritiker angemessen eingegangen“ seien. Das gelte besonders für Musial. Dies ist eine im Ton neutrale, aber gleichwohl in der Sache harte Kritik an Hannes Heer.

Reemtsma und Vogel begrüßen zudem die fachliche Kritik, obwohl die Vorwürfe „im Einzelfall auch schmerzen“. Aufgrund der Kritik von Bogdan Musial werden zwei Fotos aus der Ausstellung entfernt, fünf weitere Bilder seien schon entfernt worden.

Aufgrund der Kritik Ungvarys entfernen die Ausstellungsmacher eine Fotoserie, weisen jedoch die seine fundamentale Kritik zurück. Ungvarys These, innerhalb der Wehrmacht seien allein Feldgendarme und die Geheime Feldpolizei für Exekutionen zuständig gewesen, stehe „im Widerspruch zur anerkannten Forschung“. Reemtsma und Vogel betonen außerdem, dass sie von Anfang an mit dem Terminus „Verbrechen der Wehrmacht“ alle Verbrechen in deren Verantwortungsbereich meinten – und zwar sowohl die von Wehrmachtseinheiten verübten als auch die von Angehörigen der SS, SD. Die Ausstellung dokumentiere die institutionelle Verantwortung der Wehrmacht. In diesem Sinne sei die Prozentangabe von Ungvary abwegig. Am 4. November will sich das Institut bei einer Pressekonferenz seinen Kritikern stellen.

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