: Teufel flüchtet von Hand in Portemonnaie
■ Amtsgericht verurteilt angebliche Wahrsagerin zu 15 Monaten Gefängnis
Nett war es. Man trank Kaffee und zeigte Fotos der Kinder herum. Bei der Erinnerung an den gemütlichen Nachmittag in ihrem Wohnzimmer bricht Irmgard T. in Tränen aus: „Ich dachte, sie wäre ein anständiger Mensch“. Und ein hellsehender noch dazu. Schmuck und 7000 Mark Bares hatte die Rentnerin Biljana N. vertrauensvoll in die Hand gedrückt, nachdem diese aus der ihren den Teufel herausgelesen und Irmgard T. versprochen hatte, ihr den Satan auszutreiben. Dafür muß Biljana N. nun, so das gestrige Urteil des Amtsgerichtes Blankenese, für 15 Monate ins Gefängnis.
Dass der Schmuck und das Geld längst sichergestellt sind, weiß Irmgard T. noch nicht, als sie den Gerichtssaal betritt. Ohnehin trauert sie weniger um die verloren geglaubten Güter, als über die Enttäuschung über eine junge Frau, der sie vorbehaltlos Vertrauen geschenkt hatte. Eine Freundin hatte Biljana N. mit in die Wohnung von Irmgard T. gebracht, nachdem die 23jährige Mutter von drei Kindern sie auf der Strasse angesprochen hatte. „Die Atmosphäre war so nett“, beteuert auch die Freundin, die in gutem Glauben an einen vergnüglichen Nachmittag ihrer Freundin deren Wohnung verließ. Und dann doch „ein komisches Gefühl“ bekam und Irmgard T. noch einmal anrief. Die stand plötzlich „erheblich unter Druck“.
Erst offenbarte Irmgard T. nicht, was geschehen war, dann doch: Vom Teufel sollte sie besessen sein, hatte Biljana N. ihr weisgemacht, deshalb habe sie soviel Pech in ihrem Leben – wie etwa die Erbstreitigkeiten, unter denen sie seit dem Tod ihres Mannes leide. Den strittigen Betrag von insgesamt 27.000 Mark solle sie ihr geben, Raten von drei Mal 9000 Mark schlug Biljana N. vor. Mit Geld und Schmuck wolle sie in der Kirche für Irmgard T. beten und nach Abschluss der Zeremonie die Reichtümer zurückbringen. Statt darauf zu warten, rief die Freundin die Polizei. Noch am gleichen Tag wurde Biljana N. verhaftet.
Im Prozess läuft es schliesslich auf die Frage hinaus, ob sie einfach zu früh verhaftet, die reinigende Zeremonie also durch die Polizei vereitelt wurde. Oder ob sich Biljana N. mit Geld und Schmuck schlicht aus dem Staub machen wollte. Ihr Rechtsanwalt bemüht religiöse Traditionen und führt aus, dass sämtlichen katholischen Kindern bei der Taufe der Teufel ausgetrieben werde, und man daran also durchaus glauben könne. Der Staatsanwalt findet, man könne sich über die Möglichkeit der Teufelsaustreibung streiten, vor einem Amtsgericht jedoch sicher nicht. Und die Vorsitzende Richterin verurteilt Biljana als „Betrügerin, wie es im Lehrbuch steht“.
Elke Spanner
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