: Ein zweites Altenwerder
Zwei Dörfer an der Süderelbe sollen dem Airbus A3XX geopfert werden. Der Senat weiß dies seit fünf Jahren – und schweigt ■ Von Sven-Michael Veit
Besuchen Sie Hasselwerder und Neuenfelde, solange sie noch stehen. Den beiden eher verträumten Hamburger Ortschaften am Ostrand des Alten Landes droht das Schicksal Altenwerders: Vertreibung der Einwohner und Planierung der Felder und Obstplantagen zum Wohle des Standorts. Bereits seit fast fünf Jahren ist dem Hamburger Senat nach Informationen, die der taz hamburg vorliegen, bekannt, dass die Erweiterung des Dasa-Werks in Finkenwerder diese Konsequenz haben kann. Genauso lange hat er dies verschwiegen.
In einem Papier mit dem Titel „Anforderungen an einen Endlinienstandort“ hat der Airbus-Konzern am 1. November 1994 detailliert beschrieben, welche Voraussetzungen für die Endmontage des Riesen-Airbus A3XX in der Hansestadt geschaffen werden müssten. Im „Flächenlayout“ wurde schon damals eine „Start- und Landebahn (Länge 3500m, Breite 60m)“ gefordert, die umschlossen werden müsse durch eine „Zone ohne Wohnbebauung (1 km Umkreis um Start- und Landebahn)“.
Eine entsprechend nach Südwesten verlängerte Piste im Finkenwerder Dasa-Werk würde bis an die Hasselwerder Straße reichen (schwarze Markierung auf der Karte); die aus Sicherheitsgründen von Menschen zu entsiedelnde Fläche würde Hasselwerder und Teile von Neuenfelde sowie den Rosengarten betreffen (gestrichelte Markierung). Nur der Friedhof Hasselwerder und die Kirche werden vermutlich aus Pietätsgründen übrigbleiben dürfen – auch dies eine Parallele zur Hafenerweiterung in Altenwerder.
Am 28. September diesen Jahres erst hatte Wirtschaftssenator Thomas Mirow (SPD) die „politische Zusage“ des Hamburger Senats bekanntgegeben, eine 3,5 Kilometer lange Start- und Landebahn für den A3XX zu ermöglichen. Airbus habe Anfang September schriftlich „neue Requirements“ erhoben, erklärte Mirow. Danach „könnte“ es aufgrund „eventueller Spezifikationen“ es zu „potentiellen technischen Weiterentwicklungen des A3XX“ kommen, die „eventuelle Bedarfe“ für eine solche Maßnahme „ab 2006“ erforderlich machten. Davon, dass dieses Ansinnen dem Senat im Grundsatz bereits seit November 1994 bekannt ist, sagte Mirow nichts.
Auch in den Koalitionsverhandlungen mit der GAL im Herbst 1997 war davon noch keine Rede gewesen. Der kleinere Regierungspartner wurde offensichtlich erst vor sechs Wochen von Senator Mirow und Bürgermeister Ortwin Runde (SPD) über die „neue und vage Anfrage“ des Airbus-Konzerns informiert.
Grundlage des Koalitionsvertrages waren die Daten, die auch in dem noch nicht förmlich abgeschlossenen Planfeststellungsverfahren zur Dasa-Erweiterung festgeschrieben sind: Die Zuschüttung von etwa 150 Hektar der Elbbucht Mühlenberger Loch für neue Werksgebäude und die Verlängerung der Startbahn auf 2684 Meter nach Nordosten in die Elbe hinein.
Von einem zweiten Altenwerder war keine Rede. Bis heute.
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