: Konkurrenz beim Sponsoring
Bei den Kunst-Werken setzt man inzwischen mehr auf den Markt als auf die öffentliche Hand: Man vermietet auch mal an Joop und kauft von dem Geld einen Sol Lewitt. Ist der Förderverein ein Ersatz für die immer noch fehlende Kunsthalle? ■ Von Katrin Bettina Müller
Seit Jahren fehlt der Stadt eine Kunsthalle. Das hat mit dem Aufstieg der Kunst-Werke wenig zu tun eigentlich. Oder doch?
Gleich zwei Mal feierten die Kunst-Werke ihre Wiedereröffnung nach dreieinhalbjähriger Sanierung. Zur Einweihung der neuen Ausstellungshalle lud man zum Grillfest mit Kultursenator Peter Radunski. Pünktlich zur Messe wurden dann die neuen Ausstellungen in Gegenwart von Michael Naumann eröffnet. So viel Staatsnähe wird mit Misstrauen wahrgenommen.
Seit Jahren hat Berlin keine Kunsthalle mehr: 1994 wurde das angestaubte Aushängeschild der Westberliner Kultur geschlossen. Gewünscht als überregionaler Verstärker der lokalen Kunstinstitutionen, wurde die Kunsthalle 1978 im Bikinihaus gegenüber der Gedächtniskirche eröffnet. Neben Retrospektiven von Berliner Malern konnten NBK und NGBK dort thematische Projekte vorstellen. Kunst galt da oft als Aufklärungsarbeit, pädagogisch und politisch engagiert: Ausstellungen über Wandmalerei in Lateinamerika, Willi Sitte oder die Französische Revolution ließen mit der Zeit jede Öffnung gegenüber einer nicht politisch und figurativ argumentierenden Kunst vermissen. Dieter Ruckhaberle, auf Lebenszeit zum Direktor berufen, zeigte zu wenig Interesse an zeitgenössischen Entwicklungen. Doch trotz Kritik an seinem Programm beklagen die Kunstvereine und vor allem der Berufsverband Bildender Künstler seit der Schließung heftig das Fehlen einer städtischen Kunsthalle.
Ins Abseits geraten ist auch eine zweite Westberliner Institution: das landeseigene Museum Berlinische Galerie. So liefert der Aufstieg der Kunst-Werke in Berlin-Mitte der Kulturpolitik des Berliner Senats die einzige Erfolgsgeschichte. Mit der letztes Jahr gegründeten Berlin Biennale und der Ausstellung „children of berlin“, die sie am 7. November in New York zusammen mit dem P.S. 1 vorstellen, verfügen sie über die in Berlin lange vermisste internationale Ausstrahlung.
Den Verdacht, dass die Indienstnahme als kulturelles Vorzeigeprojekt für den Aufschwung der Hauptstadt die Bedeutung der Kunst überlagern könnte, weist Klaus Biesenbach, Mitbegründer und heute Direktor der Kunst-Werke, zurück: „Diese Öffentlichkeit bedeutet für die Kunst erst mal Aufmerksamkeit, und davon hat sie ohnehin zu wenig. Wir haben keinerlei Werbeetat, keine eigene Stelle für Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, keine Plakate in der Stadt.“
Biesenbach erzählt gern von den Ausgangsbedingungen 1990, als er und andere Studenten in der Auguststraße den Schutt wegräumten und fürs Telefonieren noch zu einer Zelle in den Westen fahren mussten. „Wir haben von Anfang an nicht nur Künstler und Kuratoren eingeladen, sondern gleich auch Politiker, Personen des öffentlichen Lebens und Geldgeber. Viele kannte ich bis dahin nur aus dem Fernsehen oder der Zeitung.“ Dazu gehörten bald international bekannte Künstler wie Douglas Gordon, Joseph Kosuth, Gerhard Merz und Nan Goldin.
Der Erfolg als viel besprochener Ort, der nicht zuletzt auf dem kritischen Ruf von Gastkuratoren wie Kim Levin aus New York oder Katrin Becker, Barbara Straka, Thomas Wulffen und Peter Funken beruhte, zahlte sich 1993 aus, als die Kunst-Werke mit Unterstützung der Stiftung Deutsche Klassenlotterie Berlin (DKLB) die Immobilie kaufen konnten. Inzwischen wurde das Vorderhaus mit Mitteln des Denkmalschutzes saniert und in den Seitenflügeln zwölf Ateliers ausgebaut, die an Künstler vermietet werden, mit denen die Kunst-Werke auch zusammen produzieren.
Sowohl Politiker von der CDU (Klaus Rüdiger Landowsky, Peter Radunski) als auch der SPD (Walter Momper, Michael Naumann) haben die Kunst-Werke unterstützt, ohne Mitglieder in dem 1996 gegründeten Förderverein zu werden.
Dort engagieren sich wirtschaftlich potente Förderer, wie der Bauunternehmer Eberhard Mayntz, der auch im Kulturkreis des BDI aktiv ist und für die Biennale gewirbelt hat. Die Vermarktung der Aura des Innovativen funktioniert: Die Firma Lancaster hat die Kunst-Werke für die Präsentation eines neuen Joop-Parfums gemietet und damit die Realisierung einer Arbeit von Sol Lewitt ermöglicht. Doch wer da wem als Verstärker und Kommunikator im Zusammenspiel von Wirtschaft, Politik und Kultur dient, lässt sich nicht mehr trennen.
Zur Wiedereröffnung wurde der Trägerverein, der anfangs von Studenten gebildet wurde, umstrukturiert in ein board of directors, das den Förderern mehr Kompetenzen und Einfluss zugesteht. Denn in einem Board entscheiden die Direktoren der einzelnen Sachgebiete mit. „Das können in Zukunft Sammler sein, die den Kunst-Werken Zugang zu ihrer Sammlung bieten oder die uns funktional unterstützen in Rechtsgeschäften und Finanzen“, erläutert Biesenbach das Modell, mit dem bisher Museen in den USA die fehlende öffentliche Finanzierung mit privaten Mitteln auszugleichen suchen. „Denn so hoch, wie jetzt die Erwartungen an uns sind, reichen 675.000 Mark Fördermittel im Jahr nicht aus“, sagt Biesenbach.
Mehr Ausstellungen „international zu touren“ gehört zum Plan der Vernetzung mit anderen ICA-Instituten (Institutes of Contemporary Art), die alle „ohne eigene Sammlung, mit sehr kleiner Belegschaft, Gastkuratoren und Gastkünstlern“ arbeiten. Mit dieser Verortung in der internationalen Kunstszene wehrt Biesenbach auch alle Vermutungen ab, die Kunst-Werke könnten nun in der Berliner Kulturpolitik als Ersatz für die immer noch fehlende Kunsthalle gehandelt werden. Der Verdacht taucht auf, weil das Kunsthallen-Projekt umso mehr aus dem Blick schwand, je mehr die Eventkultur der Kunst-Werke von sich reden machte.
In der Koalitionsvereinbarung der letzten Regierung stand die Kunsthalle noch immer im Programm und wurde doch genauso wenig umgesetzt wie die dezentrale Kulturarbeit. Von einer Kunsthalle wird noch immer mehr Bewusstsein gegenüber der Geschichte und mehr Förderung der Berliner Produzenten erwartet, als das Programm der Kunst-Werke leistet. Vor allem bei den Lobbyisten der Künstler misst sich an ihr die Glaubwürdigkeit der Kulturpolitik, Geld nicht nur in „Leuchttürme“ zu buttern.
Die Kunstvereine NGBK und NBK und der DAAD, denen für größere Projekte die Infrastruktur fehlt, starteten wiederholt Initiativen und suchen weiter nach Räumen und neuen Trägermodellen. Nicht zuletzt bei der Suche nach Sponsoren wird ihnen da die Konkurrenz der Kunst-Werke zu schaffen machen.
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