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Querspalte

■ Karasek zittert leicht

Neulich, es begab sich bei einer Medienpartner-Fütterung im Zonenrandgebiet, traf ich zum ersten Mal – nein, so kann man es eigentlich nicht sagen: Neulich stand ich bei einer feinen Verköstigung nicht mehr als eineinhalb Meter von Hellmuth Karasek entfernt, dem größten deutschen Filmkenner, dem zweitgrößten deutschen Literaturkritiker und drittbesten Menschenkenner des Landes nach Erich Honecker und Helmut Kohl. Ich war also immerhin schmerzhaft nah dran, als sich zwischen seinen dicken Backen etwas öffnete und er anhob zu einer süffisanten Klage über das Leben in Berlin: „Die Ossis sind wirklich die schrecklichsten Menschen der Welt. Warum haben wir die bloß genommen?“

Ja, es ist verdammt hart, das Leben als Herausgeber des Tagesspiegel: Jeden Morgen, auf dem Weg ins Büro, wird Karasek in der Potsdamer Straße von herumlungernden Zonis angeschnorrt („Haste mal 'n altes Essay?“). Aber zum Glück gibt es ein paar Mikrouniversen, zu denen die schrecklichsten Menschen der Welt noch immer (und hoffentlich noch sehr lange) keinen Zutritt haben. Am Dienstag Abend war mal wieder Party in einem dieser Paradiese, und das fand Karasek so bedeutend, dass er daraus gestern den Aufmacher für den Berlin-Teil seiner Zeitung gemacht hat.

Das Ergebnis hatte ein Champagner-Hersteller inszeniert: In der Präsidenten-Suite eines Berliner Hotels trafen sich zwölf Champions-League-Trinker, um vom schon jetzt legendären Millenniums-Champagner der Firma zu kosten. Ein ganz besonderes Gelage, weil 1,5 Liter von dem Zeug im Sonderangebot gerade mal 40.000 Mark kosten: „Meine Hand zitterte leicht. In meinem Glas perlte Schaumwein, mit dem ich leicht zwei Monatsmieten meiner Wohnung hätte bezahlen können.“

Was für ein Schock: Karasek wohnt zur Miete! Doch das Zittern dauerte nicht länger als zwei kurze Schlücke, vielleicht weil der Firmenvertreter bei seinem Vortrag „die deutsche Sprache auf das Reizendste mit französischem Akzent verschnitt“.

Zur besten Formulierung ließ sich Karasek allerdings erst vom hinterher kredenzten Essen hinreißen. Der Herausgeber berichtete verzückt von einer „Ente, deren Blut durch eine silberne Knochenpresse für eine Sauce aus Leber und Cognac gepresst worden war“. Vielleicht hat er hier ein neues Genre gefunden: Splatter-Journalismus mit monarchistischem Anlitz.

René Martens

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