Kein Halloween in Bremen

■ Überall feiert man den grässlichen, Depressionen und Ängste erzeugenden Herbst-Spuk, nur in der Hansestadt Bremen spukt es nicht: Keine Geister, keine Wachsleichen – einfach schön

Jetzt tanzen sie wieder: die Hexen und Geister und grinsende Kürbisfratzen. Drüben überm Ozean gibt es ghost-stories und haunted houses zu Halloween. Aber in Bremen braucht man sich nicht zu gruseln. Da spukt es nicht. Da ist es schön.

„Bremer sind doch vom Kopf bestimmt, die sind nicht spukanfällig,“ sagt zum Beispiel Geschichten-Sammler Peter Reischauer von der Senatskanzlei. Einen Ort, wo man nicht hingeht – den gebe es hier nicht.

Gruselgeschichten? Verwunschene Orte? Gespenster gar? Nichts von alledem. Nicht einmal Geschichtchen, die unter Nachbarn wandern, über wehende Vorhänge und seltsame Geräusche in Vollmondnächten und so. Das klingt schon fast unglaublich unheimlich.

Im Staatsarchiv hat Hartmut Müller nach Bremer Spuk geforscht. Wieder nix: „Wir stellen fest, Spuk gibt es nicht in Bremen.“ Weder auf dem Friedhof noch bei rechtmäßig oder unrechtmäßig enthaupteten Seeräubern oder Ratsmännern. „Bremisches Halloween ist einfach nicht zu feiern“, sagt der Historiker. Die taz hat jetzt nachgefragt: Wo spukt es, wo gruselt man sich hier zu Halloween?

Drei kümmerliche Spukgeschichten haben wir erzählt bekommen. Der Puritanismus der Protes-tanten, erklärt man, hat solches Grusel-Gebaren unterdrückt. Spuk und Schabernack, das sei eher was für den katholischen Mystizismus. In Bremen ist es doch schön. In Mooren, auf Höfen, alten Burgen, jawoll da ziehen die Geister. Aber in Bremen? Viel zu weltlich.

Zig Bücher hat die Stadtführerin Edeltraud Schierloh gewälzt, denn Spukgeschichten müsse es auch in Bremen geben, sagte sie. Fehlanzeige: Nur eine einzige Spukgeschichte, ersonnen vom Dichter Hauff, hat sie gefunden: Die vom schwarzen Loch im Bremer Ratskeller.

Und diese Story ist Teufelszeug. In einer Sylvesternacht, irgendwann im Mittelalter, saßen drei Handwerksgesellen im Ratskeller und zockten. Der Tischlermeister hat schließlich Haus und Hof verspielt. Zum Schluss spielte er gegen den Teufel. Und verlor schon wieder. Dann rumpelte es. Und der Höllenmeister nahm ihn mit durch ein großes schwarzes Loch im Ratskeller. Seitdem soll es in jeder Sylvesternacht im Ratskeller ge-rumpelt haben.

Die zweite Geschichte ist eine Anti-Spuk-Story, die lehrt, dass Aberglaube und Teufel kompletter Blödsinn sind. Wilhelm Tacke hat sie in den Bleikeller-Archiven entdeckt: Denn vor zweihundert Jahr-en (ungefähr) soll eine britische Touri-Truppe einen kleinen Teufel mitten zwischen den Sarkophagen im Bleikeller entdeckt haben. Der kleine schwarze Wicht sprach kein Wort Englisch. Woraus die Briten wacker schlossen, dass Engländer in der Hölle wohl nichts verloren hätten. Sie nahmen den schwarzen Wicht mit nach oben. Und siehe da: Es war der Junge vom Schornsteinfegermeister, der durch die Luftröhre in den Bleikeller gerutscht war.

Aber dann, dann ist da doch noch was ganz Gruseliges: die „Untoten“ auf dem Waller Friedhof. Leichen, die nicht verwesen, so genannte „Wachsleichen“. Aber selbst das geht naturwissenschaftlich voll mit rechten Dingen zu, erklärt Wilfried Günther vom Friedhofsamt. Denn ein Teil des Waller Friedhofs liegt auf einem alten Weserarm mit entsprechendem Schlickboden. Und der schließt die Leichen gut luftdicht ab, so dass die Knochen erst in 60, 70 oder gar 80 Jahren verwesen. Heute hat der Friedhof die Flächen abgesperrt. Wachsleichen gibt es auf der Waller letzten Ruhestätte nicht mehr.

Bremer müssen sich also keine Sorgen machen. Es ist schön hier. Und es spukt nicht. Nicht mal ein ganz kleines bisschen. Schade eigentlich. pipe