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In Nordirland wird es langsam frostig

Bei den Verhandlungen wird an einem Kompromiss gefeilscht, der den Anschein eines Friedensprozesses aufrechterhält. Aber dem internationalen Vermittler Mitchell geht die Geduld aus    ■ Aus Dublin Ralf Sotscheck

Die Chancen stehen 50:50, sagte einer der Teilnehmer an den Belfaster Friedensverhandlungen. An diesem Wochenende wird sich entscheiden, ob die nordirischen Parteien einen Ausweg aus der Sackgasse finden, in der der Friedensprozess seit mehr als einem Jahr steckt. Die Unionisten bestehen bisher darauf, dass die Irisch-Republikanische Armee (IRA) ihre Waffen abgibt, bevor ihr politischer Flügel Sinn Féin in die Mehrparteienregierung aufgenommen wird. Sinn Féin dagegen sieht in der Regierungsbildung, wie sie im Belfaster Abkommen vom Karfreitag 1998 vorgesehen ist, die Voraussetzung für die IRA- Abrüstung.

Da sowohl Sinn-Féin-Präsident Gerry Adams als auch der designierte nordirische Premierminister, Unionistenchef David Trimble, von ihrer jeweiligen Parteibasis argwöhnisch beobachtet werden, müssen sie eine Formel finden, bei der es keinen Sieger und keinen Verlierer gibt. Adams und Trimble versuchen seit vorgestern Abend in direkten Gesprächen, diese Formel zu finden. Die Zeit drängt, denn der frühere US-Senator George Mitchell, der die Verhandlungen leitet, hat angedeutet, dass er nach dem Wochenende seine Koffer packen wird.

Die beiden Parteiführer arbeiten an einem Stufenplan. Die IRA wird wahrscheinlich einen Vermittler bestimmen, der mit der Abrüstungskommission des kanadischen Generals John de Chastelain zusammenarbeiten soll. Dabei werden die Modalitäten der Waffenabgabe sowie ein Zeitrahmen festgelegt, bevor die Abrüstung beginnt. Gleichzeitig sollen die Unionisten der Ernennung von Ministern und der Bildung eines Schattenkabinetts zustimmen, bevor die Regierung zu einem späteren Zeitpunkt formell eingesetzt wird, ebenso wie die gesamtirischen Institutionen, die den Unionisten besonders schwer im Magen liegen, sehen sie darin doch eine schleichende Vereinigung Irlands.

Auf diese Weise würden beide Seiten ihr Gesicht wahren. Trimble könnte gegenüber seinen Hardlinern argumentieren, dass die IRA-Abrüstung mit der Bestimmung eines Vermittlers begonnen habe, Adams könnte darauf verweisen, dass das Kabinett ernannt worden ist, ohne dass die IRA eine Waffe herausgerückt habe.

Der Teufel steckt jedoch im Detail. Beide Parteichefs wollen nach wie vor den Eindruck vermeiden, sie hätten den ersten Schritt getan. Trimble war in der Nacht zu gestern optimistisch: „Früher oder später wird es klappen“, sagte er nach der ersten Gesprächsrunde mit Adams. Sein Parteikollege Willie Ross, Abgeordneter im britischen Unterhaus, glaubt jedoch, dass Trimble in der Waffenfrage zu kompromissbereit sei. „Dieses Risiko wird er nicht überleben“, warnte Ross.

Seamus Mallon von den katholischen Sozialdemokraten sagte: „Wenn es keine Einigung geben sollte, wird das zu großer politischer Unsicherheit führen.“ Und Sean Neeson von der kleinen Alliance Party fand: „Zwar haben einige Politiker Angst vor dem Schritt nach vorne, aber die Alternative ist so furchtbar, dass man sie sich überhaupt nicht vorstellen kann.“

Verschiedene Splittergruppen auf beiden Seiten können sich die Alternative dagegen sehr wohl vorstellen. Am Mittwoch verübten die „Red Hand Defenders“, eine Gruppe protestantischer Extremisten, in Belfast einen Bombenanschlag auf den Sinn-Féin-Mann Liam Shannon. Die Royal Ulster Constabulary (RUC), Nordirlands Polizei, hatte Shannon vor kurzem informiert, dass seine Akte abhanden gekommen sei und sich in den Händen von Loyalisten befinde. Gerry Adams sagte nun, die Zusammenarbeit zwischen Polizei und Loyalisten sei nach wie vor eine ernsthafte Bedrohung.

Aber auch die Dissidenten auf katholischer Seite sind aktiv. Die RUC vermutet, dass sich die verschiedenen IRA-Absplitterungen zusammengeschlossen haben. Am Montag hob die südirische Polizei ein Waffenlager bei Dublin aus, in dem sich ein moderner Raketenwerfer befand, wie ihn die IRA bisher nicht besessen hatte. Außerdem sollen die Dissidenten mit Hilfe von Mobiltelefonkomponenten ein System entwickelt haben, mit dem Fahrzeuge über große Distanzen ferngesteuert werden können.

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