: Regierung einig bei der Ökosteuer
■ Nach langem Feilschen verständigen sich SPD und Grüne auf Ausnahmen für Busse und hocheffiziente Kraftwerke. Ab Januar sollen Sprit und Strom jährlich teurer werden, die Rentenbeiträge sinken
Berlin (taz) – Die Regierungsfraktionen von SPD und Grünen haben sich gestern über die letzten offenen Fragen bei der Ökosteuer geeinigt. Nun soll das Parlament bis Mitte November zustimmen und die weiteren Stufen der ökologischen Steuerreform ab dem ersten Januar in Kraft treten. Der Bundesrat muss dem Gesetz nicht zustimmen.
Jeweils zum Jahresbeginn der folgenden vier Jahre kostet dann ein Liter Sprit sechs Pfennig mehr. Die Preise für Strom und Gas werden jährlich um einen halben Pfennig pro Kilowattstunde angehoben. Die zusätzlichen Milliardeneinnahmen sollen zum größten Teil in die Rentenkassen fließen. Nach Berechnungen der Bundesregierung werden die verschiedenen Stufen der Steuerreform die Rentenbeiträge um insgesamt ein Prozent senken. Ein kleinerer Teil der Mittel soll ein Förderprogramm für regenerative Energien finanzieren.
Gefeilscht wurde innerhalb der Regierungskoalition bis gestern um letzte Details. Vor allem die Steuerbefreiung hocheffizienter Gaskraftwerke war unter dem Beschuss der Energiekonzerne und der IG Bergbau Chemie Energie. Nach dem in der so genannten Koordinierungsgruppe Finanzen erzielten Beschluss sollen nun Gaskraftwerke mit einem Wirkungsgrad von über 57 Prozent von der Mineralölsteuer befreit werden. Diese Ausnahme gilt für zehn Jahre für jede neu errichtete Anlage. Zum ersten Mal orientiert sich damit die steuerliche Belastung eines Kraftwerks an der Effizienz.
„Das ist ein Sieg der ökologischen Vernunft über die Kohlelobby“, freute sich gestern Reinhard Loske, umweltpolitischer Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen. Denn die umweltschädlichen Energieträger Kohle und Atom waren und sind von den Steuererhöhungen ausgenommen.
Mit der gestern vereinbarten Regelung wird so eine Benachteiligung der Gaskraftwerke aufgehoben. Das verteuert relativ gesehen auch die Produktion von Braunkohlerevieren wie Garzweiler. Gaskraftwerke werden von Umweltpolitikern bevorzugt, weil sie pro erzeugter Kilowattstunde Strom weniger Kilogramm des Treibhausgases Kohlendioxid ausstoßen als Kohlekraftwerke.
Weitere letzte Kompromisse: Der Dieselpreis für Busse im öffentlichen Nahverkehr soll nur halb so viel steigen, wie für die privaten Verbraucher beschlossen. Damit zahlen die meist kommunalen Fuhrbetriebe ab Januar nur drei statt sechs Pfennig mehr pro Liter. Die Loks der Deutschen Bahn AG zahlen nach einer früheren Vereinbarung ebenfalls nur die Hälfte mehr. Damit soll sich die Wettbewerbsposition von Bus und Bahn gegenüber dem Auto verbessern.
Behindertenwerkstätten werden in Zukunft bei der Ökosteuer behandelt wie produzierendes Gewerbe. Für sie werden deshalb nur 20 Prozent der Steigerungen wirksam.
Die Abgrenzung zwischen dem künftig bei den Energiesteuern begünstigten produzierenden Gewerbe und anderen Betrieben ist jedoch anerkanntermaßen reichlich willkürlich. Deshalb wird für die Industrie im Jahr 2001 noch einmal neu verhandelt. Die Landwirte zum Beispiel wurden nach Protesten als produzierendes Gewerbe eingestuft, nachdem sie anfangs voll zahlen sollten. Sie trifft die Ökosteuer trotzdem, weil sie einen relativ hohen Strom- und Dieselverbrauch haben.
Die Grünen hatten ursprünglich eine Steigerung um einen zweistelligen Pfennigbetrag jährlich gefordert, um die Lohnnebenkosten stärker zu senken, zeigten sich gestern aber mit dem Erreichten zufrieden.
Die Spediteure und die Kommunen konnten sich mit ihren Forderungen nach einer Befreiung von den steigenden Mineralöl- und Strompreisen nicht durchsetzen. Sie wurden auch schon von der bereits seit April dieses Jahres wirksamen ersten Stufe der Ökosteuerreform voll erwischt. Bei der ersten Stufe stieg der Literpreis von Mineralöl um sechs Pfennig, Strom wurde pro Kilowattstunde um zwei Pfennig teurer. Reiner Metzger
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen