: Fidel Castro kann nicht tanzen
Das „Haus der Kulturen der Welt“ brummte am Wochenende wie ein Bienenstock, dank den Besuchern der Weltmusikmesse Womex. Dort debattierte die Branche über die Zukunftsaussichten: Internetvertrieb statt Fachhandel, Brasilien statt Kuba? ■ Von Christian Rath
Fidel Castro liebt Baseball, aber er hört keine Musik, und er tanzt nicht.“ Nach Meinung des US-Musikproduzenten Joe Boyd ist das derzeitige Kuba-Fieber letztlich vom Desinteresse des Diktators abhängig. „Kubanische Musiker können in der Welt herumreisen und Platten machen, während die kubanischen Baseballspieler zu Hause bleiben müssen, damit die heimische Liga attraktiv bleibt.“ Wie es mit dem Kuba-Boom weitergeht, war eines der Themen der diesjährigen „Worldwide Music Expo“, der Womex, die am Wochenende in Berlin stattfand.
Als Tipp für das kommende große Geschäft wurde aber vor allem Brasilien gehandelt. Die dortige Musikszene gilt als „very openminded“, denn Künstler wie Carlinhos Brown mischen alles mit allem und haben doch eine spezifisch brasilianische Note. Und der Maracatu-Rocker Lenine, der am Freitagabend eines der gefeiertsten Konzerte gab, hat durchaus das Potential zum Weltstar.
Warum aber tun sich die Brasilianer dennoch auf dem internationalen Markt so schwer? Ein Problem, so scheint es, ist die große Diversität der Szene, die sich eben nicht auf ein pflegeleichtes Bossa-Image festlegen lässt. Zum anderen haben aber auch die großen brasilianischen Plattenfirmen bisher die weltweite Vermarktung ihrer Künstler mehr behindert als angeschoben. Verträge mit kleineren Labels in Europa und den USA wurden blockiert, obwohl die Konzern-Schwesterfirmen dort kein Interesse zeigten. Lieferungen an Importeure und Händler im Norden dauern oft Monate. Das Worldmusic-Business kann ein ziemlich nervenaufreibendes und abenteuerliches sein, mit niedrigen Gewinnaussichten. Trotzdem schätzt Womex-Chef Christoph Borkowsky den Weltmusik-Marktanteil im Phonobusiness auf inzwischen „fünf bis zehn Prozent“.
Die Womex ist eine Mischung aus Messe, Diskussionstreffen und Minifestival. Rund 1.200 Fachbesucher aus aller Welt kamen nach Berlin, etwa 150 Aussteller teilten sich die Messestände, und die Kongresshalle im Tiergarten brummte wie ein Bienenstock. Doch obwohl Aussteller und Publikum mit Messe und Marktsituation ziemlich zufrieden waren, lag im „Haus der Kulturen der Welt“ auch eine gewisse Zögerlichkeit in der Luft. Niemand weiß genau, wie es mit der Musikindustrie weitergeht, und welche Rolle etwa das Internet künftig spielen wird. Manche sehen hier neue Chancen gerade für die Weltmusik. So könnten etwa CDs aus Indonesien direkt übers Web bestellt werden, ohne dass ein Vertrieb oder ein Fachhändler zwischengeschaltet werden müsste. Oder die Musik wird per Download gleich direkt auf den eigenen Computer geholt und von dort auf CD gebrannt. Andere halten das Internet dagegen eher für eine Gefahr. „Wenn plötzlich alles verfügbar ist, orientieren sich die Leute noch mehr an dem, was sie bereits kennen“, befürchtete ein türkischer Musikhistoriker. Die traditionelle Struktur mit Plattenfirmen und CD-Händlern fördert Handel mit Weltmusik, so gesehen, doch mehr als sie ihn erschwert.
Die erste Womex fand 1994 im Rahmen der Berlin Independence Days ebenfalls in Berlin statt, wanderte dann durch Europa, um nun an ihren Ausgangspunkt, das Berliner „Haus der Kulturen der Welt“, zurückzukehren. Wenn es nach Christoph Borkowski geht, soll die Womex als jährliche Messe auch hier bleiben. Das Berliner Publikum jedenfalls strömte abends in Massen zu den Konzerten, was bei der Standortargumentation durchaus ins Gewicht fallen dürfte. Allerdings ist Borkowsky enttäuscht, dass er trotz Anfragen keinerlei Zuschüsse aus Landesmitteln erhalten hat. Mit leicht drohendem Unterton betonte er deshalb: „Wir haben auch Angebote von Städten, die den Imagewert einer weltweiten Musikmesse besser erkannt haben.“
Um in Zukunft mehr Aufmerksamkeit auf das eigene Tun zu lenken, wurde in diesem Jahr übrigens erstmals von einerJury ein Womex-Award ausgelobt. Der ging, ganz im Zeichen des Kuba-Booms, an die Hintermänner des Buena Vista Social Clubs, an den Produzenten Nick Gold und den Orchestercheft Juan de Marcos.
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