Eisenbahner wollen nicht aufs Abstellgleis

Rund 200 Beschäftigte der Bahnbau Ost demonstrieren vor der Konzernzentrale der Deutschen Bahn AG. Sie fürchten Lohneinbußen und Jobverlust, weil die Bahn ihre Abteilung auflösen will  ■   Von Richard Rother

Nach drei Stunden Betriebsversammlung hielt sie nichts mehr auf den Sitzen – mehrere hundert Beschäftigte der Bahnbau Ost, einer Tocher der Deutschen Bahn AG, gingen gestern Mittag auf die Straße. Vom Haus am Köllnischen Park an der Jannowitzbrücke zogen sie zur DB-Konzernzentrale in der Holzmarktstraße. Der Grund des spontanen Protests: Die Deutsche Bahn AG plant, den Bereich Bahnbau zum 1. Januar 2000 aufzulösen und anderen Bereichen anzugliedern. Die bundesweit mehr als 7.000 Beschäftigten fürchten Lohneinbußen und den Verlust ihrer Arbeitsplätze. In Berlin und Umland sind davon rund 900 Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen betroffen.

Laut waren denn auch die Pfiffe vor der Konzernzentrale, wo sich rund 200 Beschäftigte der Bahnbau auf dem Gehsteig versammelten, eilig gemalte Papp-Transparente in die Luft haltend: „Arbeit und Brot statt Bahnbau-Tod“, „Bahnbau erhalten, Zukunft gestalten“ war unter anderem darauf zu lesen. „Wir demonstrieren hier für den Erhalt unserer Arbeitsplätze“, rief der Betriebsratsvorsitzende der Bahnbau Ost, Rainer Hölzchen, mit megafonverstärkter Stimme in den Straßenlärm. Dann verschwand Hölzchen in den neu gebauten Glasplast, im Gepäck mehrere hundert Protestunterschriften für den DB-Arbeitsdirektor Host Föhr.

Die Deutsche Bahn AG plant, die gesamte Instandhaltung im Bereich der DB Netz AG zusammenzufassen. Künftig sollen die Bauaktivitäten in die bestehenden Baugesellschaften der DB Netz AG überführt werden. „Dies ist für die DB Netz AG von existenzieller Bedeutung, um den Anforderungen unserer Kunden gerecht zu werden“, heißt es in einer Mitarbeiter-Information des Vorstandes. Der Plan, die DB Bahnbau als eigene Baugesellschaft am Markt zu etablieren, könne wegen der harten Wettbewerbsbedingungen in der Bauindustrie nicht weiter verfolgt werden, heißt es weiter.

Der Betriebsräte fürchten nun, dass mittelfristig die für die Fahrweginstandhaltung wichtigen Arbeitsplätze völlig verloren gehen. Dies könne negative Auswirkungen auf den Zustand der Gleisanlage haben. Hinzu komme, dass viele Beschäftige auf Grund ihrer bahnspezifischen Ausbildung und ihres Alters schwer einen neuen Arbeitsplatz fänden, so die Betriebsräte. Sie fordern, eine Bahnbau GmbH zu gründen. Nur diese könne Arbeiten „unter dem rollenden Rad“, also bei laufendem Betrieb durchführen.

Betriebsrat Oswald Richter vermutet jedoch einen weiteren Hintergrund für die Umstrukturierungspläne innerhalb der bundeseigenen Bahn AG: Die Beschäftigten müssten in den neuen Sub-Sub-Unternehmen der Bahn Lohneinbußen von bis zu 1.000 Mark monatlich hinnehmen. Deswegen sollen offenbar möglichst viele Eisenbahner in solche Unternehmen gesteckt werden, so Richter. „In puncto Arbeitsplatzabbau wird dann hier die Drecksarbeit gemacht“, sagt Richter.

Die geht allerdings nicht ganz so schnell wie geplant. Immerhin hatte die gestrige Aktion der Beschäftigten einen kleinen Erfolg: „Der Vorstandbeschluss wird nicht zum 1. Januar vollzogen“, berichtet Hölzchen von seiner Audienz beim Arbeitsdirektor. Die Gesichter der Demonstranten hellen sich ein wenig auf. Richter bleibt skeptisch: „Aufgeschoben ist nicht aufgehoben.“