: Aufruf zur Fahnenflucht legal
■ Vor dem Berliner Amtsgericht endete der Prozess um einen Aufruf zur Fahnenflucht vom Kosovo-Krieg mit Freispruch. Strafbefehl gegen taz-Presseverantwortlichen abgelehnt
Berlin (taz) – Öffentliche Kritik an der Beteiligung der Bundeswehr am Kosovo-Krieg wurde gestern auf juristischer Ebene behandelt. Vor dem Berliner Amtsgericht fand das erste Strafverfahren gegen einen Erstunterzeichner eines Appells gegen die Beteiligung der Bundewehr an den Nato-Angriffen im Kosovo statt.
In dem Aufruf des Kölner Komitees für Grundrechte und Demokratie, der am 21. April in der taz erschien, wurden alle Bundeswehrsoldaten aufgefordert, ihre Einsatzbefehle zu verweigern und sich gegen den Krieg aufzulehnen, weil der Angriff völkerrechtswidrig sei. Bundesweit wird gegen etwa dreißig Erstunterzeichner ermittelt, unter ihnen Politikwissenschaftler und Bürgerrechtler.
Der gestrige Prozess endete mit einem Freispruch. Das Amtsgericht sah die Unterzeichnung des Aufrufs als „erlaubte Form der Meinungsäußerung“ an. Der Angeklagte, ein 47-jähriger Mann aus Offenbach, der sich seit Jahren in Serbien engagiert, nutzte die Verhandlung, um die Auseinandersetzungen um den Krieg noch einmal öffentlich zu führen. „Ich war heilfroh, als ich die Gelegenheit bekam, mich an dem Aufruf zu beteiligen“, sagte er. „Ich habe ihn nach Kräften weiter verteilt in dem Bewusstsein, dass es ein bürgerliches Gebot ist.“
Die Richterin bezeichnete den Angeklagten, einen Berater von Hochschulen und Verwaltungen, als „einen Bürger mit Verantwortungsbewusstsein, der etwas tun wollte“. Die Staatsanwältin, die eine Geldstrafe von 1.800 Mark gefordert hatte, wird jedoch Berufung einlegen. Sie ist der Meinung, dass es sich selbst dann um einen strafbaren Aufruf zur Fahnenflucht handele, wenn gerichtlich festgestellt würde, dass der Einsatz völkerrechtswidrig war.
Am Berliner Amtsgericht werden die Ermittlungen gegen die Unterzeichner durchaus kontrovers gesehen. So wurden die Strafbefehle gegen drei Personen abgelehnt, wogegen die Staatsanwaltschaft Widerspruch einlegte. Auch der Strafbefehl gegen den presserechtlich Verantwortlichen der taz war abgelehnt worden. Dagegen legte die Staatsanwaltschaft jedoch keinen Widerspruch ein. B. Bollwahn de Paez Casanova
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