Abfahren auf Hanf und Flachs

■  Autohersteller setzen immer mehr Bauteile aus nachwachsenden Rohstoffen ein. 1996 waren es noch 4.000 Tonnen, in den nächsten Jahren sollen es 30.000 sein

Gute Erfahrungen gibt es für Bauteile im Innenbereich. Jetzt forscht man an Ersatz für die Außenteile

1941 präsentierte Henry T. Ford einen Autoprototyp, dessen Karosserie zu einem großen Teil aus pflanzlichen Rohstoffen bestand und dessen Motor Pflanzenöl schluckte. In Serie ging das Fahrzeug nie, aber in den Entwicklungsabteilungen der Autohersteller finden Pflanzenfasern immer mehr Anhänger. Monika Sauerbier zum Beispiel. Die Diplomingenieurin testet bei Ford in Köln Kunststoffteile, in denen statt Glasfasern Flachs und Hanf für die nötige Stabilität sorgen. Deren Fasern sind billiger und leichter als Glas. „Zur Zeit werden verschiedene Anwendungen getestet; wenn es funktioniert, kommt es rein“, beschreibt Sauerbier die positive Stimmung im Unternehmen. Im neuen Focus wird derzeit ein Steinschlagschutz für den Motorraum getestet, der mit Naturfasern verstärkt ist, bei Opel, BMW und VW finden sich Hutablagen, Türverkleidungen oder Konsolen aus mit Flachsfasern verstärktem Polypropylen. Ersetzt werden auch Bauteile aus mit Phenolharzen verklebten Holzfasern oder Spritzgussteile aus Kunststoff.

Dass der Einsatz der Naturfasern nur langsam wächst, liegt an den umfangreichen Entwicklungsarbeiten. „Sie müssen jedes Bauteil, das sie ersetzen wollen, einzeln untersuchen“, sagt Marianne Mürau von der Forschungsabteilung von DaimlerChrysler. Zusätzlich soll die Herstellung auf den bestehenden Anlagen möglich sein, um große Investitionen zu vermeiden. „Wir haben bisher sehr gute Erfahrungen im Innenraum gemacht“, bilanziert Mürau. Nun forsche man verstärkt bei Außenbauteilen. Bis zur serienmäßigen Umsetzung werde es aber noch einigen Forschungsaufwand zu bewältigen geben. Michael Karus vom Kölner Nova-Institut rechnet damit, dass in der deutschen Automobilindustrie in diesem Jahr etwa 10.000 Tonnen Naturfasern, ohne Holz- und Recyclingfasern, zum Einsatz kommen. 1996 waren es noch 4.000 Tonnen. „Eine Steigerung auf 30.000 Tonnen in den nächsten Jahren erscheint durchaus realistisch“, sagt Karus. Allein bei Opel rechnet man mit einem jährlichen Bedarf von mehr als 1.000 Tonnen. Doch Kunststoffe sind nicht der einzige Einsatzbereich: Die Firma Ecco im oberbayerischen Seeshaupt hat eine Mischung von Naturfasern entwickelt, die in Kupplungs- und Bremsbelägen eingesetzt werden kann und dort Glas- oder Aramitfasern ersetzt. Produktreif ist auch ein anderes Projekt: Der Kunststoff Polyurethan (PUR) wird aus mehrwertigen Alkoholen, so genannten Polyolen, und Isocyanaten hergestellt, beides bisher Produkte der Erdölchemie. Der Harburger Fettchemie ist es gelungen, die Polyole aus Raps- und Sonnenblumenöl zu gewinnen. Die BASF hat daraus PUR hergestellt, das der Zulieferer Findlay nun zusammen mit einem süddeutschen Autohersteller zu neuen Innenraumteilen verarbeitet. Noch sei das Ganze ein Entwicklungsprojekt, betont Rüdiger Poltrock, Entwicklungsingenieur bei Findlay. Im Jahr 2002 soll das Fahrzeug in Serie gehen. Noch länger werde es dauern, auch die Isocyanate auf Pflanzenbasis herzustellen.

Ein Auto, wie es einst Henry Ford vorschwebte, ist aber noch nicht in Sicht. Dabei fuhr auf Deutschlands Straßen Flächen deckend schon einmal ein Pkw, dessen Karosserie aus naturfaserverstärktem Kunststoff bestand. Die Faser stammte aus Baumwollresten aus der UdSSR. Es war der Trabbi. Leo Frühschütz