: Vergessen Sie diese Studie“
■ Kommunale Unternehmen und Stromkonzerne konkurrieren um Kunden. Wenn Billig-Atomstrom-Anbieter den Markt überrollen, können die Stadtwerke nur schwer mithalten. „Wir fordern einen fairen Wettbewerb.“
Über Positionen, Märkte und umweltfreundliche Stromerzeugung sprach die taz mit Felix Zimmermann (66), Geschäftsführer und Präsidialmitglied des Verbandes Kommunaler Unternehmen (VKU).
taz: Eine Studie behauptet, dass 90 Prozent aller Stadtwerke in den nächsten drei Jahren ihre Selbstständigkeit verlieren. Kommt jetzt das große Showdown der deutschen Stromlieferanten?
Felix Zimmermann: Vergessen Sie diese Studie, sie entbehrt jeder Grundlage. Nehmen Sie nur mal ein kleines Stadtwerk in einer kleinen Kommune: Es hat nur wenige Industriekunden, also kaum Großabnehmer. Die aber haben in dieser Stadt längst einen Preisnachlass in der Größenordnung von 15 bis 20 Prozent bekommen und sind weiterhin treue Kunden. Da wird sich faktisch nicht mehr viel tun – und das Stadtwerk gibt es immer noch.
Es geht aber auch um das Privatkundengeschäft.
Da mache ich mir keine Sorgen: Aufgrund der jahrelangen Kundenbindung ist die Wechselbereitschaft nur gering. Warum also sollte diesem kleinen Stadtwerk etwas passieren? Es bekommt dafür, dass es seine Netze zur Verfügung stellt, ein Entgelt, dessen Höhe die Verbändevereinbarung bis Ende des Jahres neu festlegen wird. Es wird auf jeden Fall die Kosten, die das Netz verursacht, widerspiegeln, sonst stimmen wir der Verbändevereinbarung nicht zu.
Und die mittelgroßen Stadtwerke?
Die stehen möglicherweise unter Druck. Hier sind vielleicht teure Anlagen mit KWK (Kraft-Wärme-Kopplung/d.Red.) erstellt worden, hinter denen meistens auch teure Fernwärmenetze stehen. Wirtschaftsminister Müller hat aber eingeräumt, dass man der KWK helfen müsse. Ansonsten gilt das Gleiche wie für kleine Stadtwerke.
Bei den ganz großen allerdings gibt es andere Dimensionen, wenn sie einen hohen Eigenerzeugungsanteil haben. Die haben größere KWK-Anlagen und kommen damit in eine echte Kostenschere. Hier fordern wir als Verband von der Politik eine Befreiung dieser Anlagen von der Ökosteuerstufe 2; oder zumindest die Berücksichtigung einer Quote für umweltverträglich erzeugten KWK-Strom.
Mit dem Argument, man sei dem hemmungslosen Wettbewerb mit den Stromkonzernen nicht gewachsen, wollten sich einige Kommunen vor dem Bundesverfassungsgericht noch ein paar Monate Luft verschaffen – der Wettbewerb sollte bis August 2000 ausgesetzt werden – und sind vorerst gescheitert. Was genau hatten Sie erreichen wollen?
Gescheitert sind die Kommunen nicht. Sie wollten zunächst eine „einstweilige Anordnung“ auf vorübergehende Aussetzung des Energiewirtschaftsgesetzes. Nur dies allein wurde vom Gericht abgelehnt, in der Sache ist noch nicht entschieden – über eine Klage aus Duisburg übrigens auch noch nicht. Es geht in diesen Klagen nicht darum, einen wettbewerbsfreien Raum zu schaffen und die Kommunen somit außen vor zu lassen. Die Stadtwerke haben den Wettbewerb angenommen. Aber das Energiewirtschaftsgesetz vom April vorigen Jahres regelte einige Dinge sehr miserabel und zum Nachteil der Kommunen. Das muss geregelt werden.
Nun kam dieser Wettbewerb ja nicht gleichsam über Nacht. Haben die klagenden Kommunen zu spät begriffen, was „Liberalisierung“ bedeutet?
Nein, wir haben im Gesetzgebungsverfahren versucht, den damaligen Wirtschaftsminister zu überzeugen, dass verschiedene Elemente im Gesetz geregelt werden müssen und nicht offen bleiben. Als dieses Gesetz ohne Übergangsfristen beschlossen war – die in allen anderen liberalisierten Märkten auf der ganzen Welt im übrigen gewährt werden –, gab es nur noch eine Möglichkeit der Notbremse: das Gericht.
Der VKU betont auffällig oft, einem „fairen“ Wettbewerb seien Stadtwerke allemal gewachsen. Sind die Kampfpreise der Konzerne noch „fair“?
Kampfpreise gibt es eindeutig, vor allem durch die EnBW-Yello. Man kann hin und her rechnen: Da gibt es so gut wie keine Gewinnmarge.
Mit „fair“ meinen wir aber etwas anderes: Den Konzernen steht es frei, ihr Produkt bundesweit anzubieten. Die Stadtwerke sind durch Gemeindeordnungen gehindert, über die Stadtgrenzen hinweg, wirtschaftlich aktiv zu werden. Dies ist ein klarer Wettbewerbsnachteil. Deshalb fordern wir „fairen Wettbewerb“ vor allem im Hinblick auf restriktive Gemeindeordnungen.
Manche kommunalen Stromversorger präsentieren sich plötzlich als die ökologisch arbeitenden Energielieferanten schlechthin. Ist das der Ökostrom-Konkurrenz geschuldet?
Nein, das ist ja nicht neu. Die Hauptarbeit von CO2-Verminderungen liegt ja nun schon länger und eindeutig bei den kommunalen Unternehmen: Kraft-Wärme-Kopplung ist dazu unser Instrument. Hier sind die Kommunen führend. Natürlich laufen auch bei den Konzernen solche Projekte, aber der Leitspruch „global denken - lokal handeln“ wurde zuerst von den Stadtwerken umgesetzt.
Photovoltaik, Windenergie, Biomasse – das hat Zukunft. Warum setzen Sie nicht darauf? Dann wären Sie doch mit der Infrastruktur der Stadtwerke flächendeckend Marktführer bei Grünem Strom – und aus dem Schneider.
Nein, dann wären wir wirtschaftlich am Ende. Unsere Stadtwerke erzeugen 54 Prozent ihres Stroms in Kraft-Wärme-Kopplungs-Anlagen. Mit diesem politisch gewollten Instrument haben wir mächtig zur Verminderung des CO2-Ausstoßes beigetragen. Stadtwerke beschäftigen sich natürlich auch mit den von Ihnen genannten regenerativen Energieträgern.
Nur kann man nicht von heute auf morgen alles umbauen. Die Photovoltaik beispielsweise kann im Preiswettbewerb überhaupt nicht mithalten. Dennoch muss man sie weiter fördern, etwa durch ein neues Stromeinspeisungsgesetz. Und natürlich bieten auch die Stadtwerke bundesweit Ökostrom an.
Ohne Konkurrenz durch billigen Atomstrom der Konzerne wären Sie doch auf der sicheren Seite. Gehören die Stadtwerke zu den Vorkämpfern für den Atomausstieg?
Nein, es gibt keine kommunalen Kernkraftwerke. Aber dem Strom sieht man es nicht an, woher er kommt. Yello kann sich über die EnBW natürlich manche Späße erlauben, was andere – ohne diese enormen Kapazitäten im Rücken – sich nicht leisten können. Aber der Wettbewerb um den Privatkunden wäre so oder so entbrannt, auch ohne beispielsweise Atomstrom aus Frankreich, weil es bei der Liberalisierung des Marktes keine Übergangszeit gab. Die Stadtwerke wären auch ohne Atomstrom nicht aus dem Schneider. Interview: Andreas Lohse
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