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Verhandlungsstopp droht weiter

■  Lambsdorff beriet gestern in Washington weiteres Vorgehen zur Entschädigung von NS-Zwangsarbeitern. Polens Außenminister Geremek kritisiert Deutschland scharf

Washington/Warschau/Berlin (dpa/rtr/AFP) – Weiterhin steht eine Unterbrechung der Verhandlungen zur Entschädigung früherer NS-Zwangsarbeiter im Raum. Der für diese Frage zuständige Beauftragte der Bundesregierung, Otto Graf Lambsdorff, und der stellvertretende US-Finanzminister Stuart Eizenstat trafen sich gestern in Washington, um über das weitere Vorgehen zu beraten. Sowohl Lambsdorff als auch Eizenstat haben die deutsche Wirtschaft aufgefordert nachzubessern. Auch Außenminister Fischer mahnte, einen Vorschlag zu präsentieren, der „überzeugt und überzeugend ist“.

In Wirtschaftskreisen hieß es allerdings erneut, schon die gebotene Summe aufzubringen sei nicht einfach. Jetzt soll bis Montag endgültig geklärt werden, ob eine Verschiebung der für den 16./17. November in Bonn geplanten Verhandlungsrunde in Frage kommt.

Die deutsche Seite bietet bisher insgesamt sechs Milliarden Mark zur Entschädigung der ehemaligen Zwangsarbeiter an. Davon würde die Industrie vier Milliarden und die Bundesregierung zwei Milliarden Mark übernehmen. Die Anwälte der Zwangsarbeiter haben die Summe als deutlich zu niedrig kritisiert und fordern einen zweistelligen Milliardenbetrag.

Außenministerin Madeleine Albright hatte beide Seiten bei den deutsch-amerikanischen Verhandlungen für die Zwangsarbeiter-Entschädigungen zu mehr Flexibilität aufgefordert. Nur so könne eine Einigung erzielt werden, sagte Albright bei einem Treffen mit Außenminister Joschka Fischer in Washington am späten Donnerstag. Fischer versicherte, dass die Bundesregierung einem Kompromiss in der Entschädigungsfrage nicht im Weg stehen werde. Auf die Frage, ob die Regierung ihren Beitrag aufzustocken bereit sei, falls mehr deutsche Unternehmen zu dem geplanten Fonds beitrügen, sagte Fischer, es werde keinen Vorschlag geben, der an der Haltung der Regierung scheitern werde. Der deutsche Staat akzeptiere seine moralische, aber nicht die rechtliche Verpflichtung.

In Warschau kritisierte Polens Außenminister Bronislaw Geremek vor dem polnischen Parlament ungewöhnlich scharf Lambsdorff-Äußerungen zu früheren osteuropäischen Zwangsarbeitern in der Landwirtschaft. Die Aussagen des deutschen Regierungsbeauftragten seien „skandalös und beleidigend für den Staat Polen“.

Lambsdorff hatte in der Welt am Sonntag seine Ansicht verteidigt, dass osteuropäische Landarbeiter keinen Anspruch auf Entschädigungen hätten. Es sei „ganz unzweifelhaft, dass seit der Jahrhundertwende in jeder Erntekampagne Saisonarbeiter aus Polen nach Deutschland gekommen sind“, sagte er der Zeitung.

Außenminister Geremek warf Deutschland weiterhin vor, bei den in den USA geführten Verhandlungen über Entschädigungen für ehemalige NS-Zwangsarbeiter Zeit schinden zu wollen. Nach Schätzungen Geremeks leben in Polen noch rund eine halbe Millionen NS-Opfer, davon 200.000 frühere Landarbeiter.

Unterdessen hatten am Donnerstag zwei US-Senatoren einen Gesetzentwurf eingebracht, um rechtliche Hürden für Klagen ehemaliger Zwangsarbeiter gegen deutsche Firmen aus dem Weg zu räumen. Hintergrund sind zwei US-Gerichte in New Jersey, die im September Sammelklagen früherer NS-Zwangsarbeiter gegen zwei deutsche Firmen abgewiesen hatten. Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Kläger eine 1993 abgelaufene Frist versäumt hätten. Nach dem jetzt eingebrachten Gesetzentwurf sollen Klagen gegen deutsche Firmen, Banken und Versicherungsunternehmen noch bis 2010 möglich sein.

Michel Friedman, Präsidiumsmitglied im Zentralrat der Juden in Deutschland, forderte gestern von Bundeskanzler Gerhard Schröder, die Wirtschaft stärker unter Druck zu setzen. Der Bundeskanzler solle nicht die deutsche Industrie unterstützen, sondern den Opfern helfen, sagte Friedman.

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