: Urteil: Aderlass für Stadtstaaten?
■ Das Bundesverfassungsgericht wird am kommenden Donnerstag auch über die künftige Bremer Finanzlage urteilen
Karlsruhe/Bremen. Am kommenden Donnerstag wird das Bundesverfassungsgericht in Karlsruhe sein Urteil über das künftige Verteilungsmodell beim Länderfinanzausgleich fällen. Zum gleichen Zeitpunkt treffen sich die Ministerpräsidenten in Bremen zu ihrer turnusgemäßen Versammlung. Egal, wie das Urteil ausfällt, es wird anschließend im Bremer Rathaus einige Herren – vielleicht auch eine Frau – geben, die griesgrämig aus der Wäsche schauen.
Die zuverlässigste Vermutung, wie das Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Länderfinanzausgleich aussehen wird, ist folgende: Karlsruhe wird nicht das gesamte System der Finanzverteilung zwischen Bund und Ländern über den Haufen werfen. Unwahrscheinlich ist aber auch, dass die ärmeren Länder – darunter auch Bremen – bei der Verkündung völlig ungeschoren davon kommen.
Denn die klagenden „Geberländer“ Bayern, Baden-Württemberg und Hessen haben in der mündlichen Verhandlung am 22. und 23. September mit großem Nachdruck ihre Überzeugung vertreten, die Umverteilung von mehr als 50 Milliarden Mark im Jahr führe zu einer „Übernivellierung“, begünstige also die Nehmerländer über Gebühr. In einigen Punkten schienen ihre Plädoyers auf Zustimmung auf der Richterbank zu stoßen.
Nicht besonders günstig scheinen – so der Eindruck aus der Anhörung – die Aussichten für Bremen, Hamburg und Berlin zu sein. Paul Kirchhof, der als Berichterstatter im Zweiten Senat eine Schlüsselrolle in dem Verfahren spielt, schien wenig von der rechnerischen Begünstigung der drei Stadtstaaten zu halten – eine Position, die er schon vor seiner Richterzeit vertreten hatte: In den 80er Jahren war Kirchhof im Länderfinanzausgleichsverfahren der Bevollmächtigte des Landes Baden-Württemberg. Das hatte ihm im Vorfeld des Verfahrens einen – erfolglosen – Befangenheitsantrag eingebracht (wir berichteten).
Nach den geltenden Regeln werden die Stadtstaaten bevorzugt behandelt, indem ihnen eine rechnerisch höhere Einwohnerzahl (135 Prozent) zugewiesen wird. Wird diese Klausel ersatzlos gekippt, dann könnte zumindest für Bremen und Berlin der Druck, einer Länderneugliederung zuzustimmen, nahezu unwiderstehlich werden. Berlins Finanzsenatorin Anette Fugmann-Heesing (SPD) hat vorgerechnet, dass ihrem Haushalt vier Milliarden Mark verloren gingen, zehn Prozent des Gesamtetats. Viel anders würde es auch in Bremen nicht aussehen.
Auch die Sonderzuweisungen für die Lasten der Seehäfen könnten in Gefahr sein. Hessens Minis-terpräsident Roland Koch (CDU) wies darauf hin, dass Frankfurt einen Flughafen unterhalte – wofür freilich kein Geld flösse.
Ob die Karlsruher Richter allerdings am hohen Ausgleichsniveau rütteln werden, steht in den Sternen. Derzeit wird die Finanzkraft der ärmeren Länder über den horizontalen Ausgleich zwischen den Ländern sowie Zuweisungen des Bundes auf 99,5 Prozent des Bundesdurchschnitts angehoben. Der Bielefelder Professor Joachim Wieland, der Bremen, Niedersachsen und Schleswig-Holstein vertritt, warnt vor einer deutlichen Absenkung dieses Levels: Die neuen Bundesländer hätten im föderalistischen Wettbewerb keine Chance mehr. Wolfgang Janisch, dpa
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