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Das Reptil war immer fein gekleidet

■ Hans Magnus Enzensberger lehrt uns auch, dass Kultur etwas mit Luxus zu tun hat

Um einen Intellektuellen kennen zu lernen, bedarf es natürlich zuallererst einer Lektüre seiner Schriften. Bei Hans Magnus Enzensberger lohnt sich darüber hinaus ein Blick auf seine Kleidung. Denn der Jubilar gehört nicht nur seit fünfzig Jahren zu den klügsten Männern der Republik. Er gehörte stets auch zu den bestangezogenen – selbst in den wildesten Zeiten, als akkurate Kleidung zumindest als reaktionär, wenn nicht gar als bourgeois galt. Seit den Jahren 68 ff. verzichtet er zwar gerne auf den Schlips; dafür ist aber, worauf György Konrád hinwies, „der Schal vom Feinsten“.

Enzensberger ist es stets gelungen, viel Geld zu verdienen. Und er hat auch immer Wert darauf gelegt, es richtig auszugeben. Wer Enzensberger-Fotos aus den vergangenen Jahrzehnten betrachtet, wird kaum einmal auf ein schlecht sitzendes Sakko oder unpassendes Schuhwerk stoßen. Allein schon das macht ihn zu einer Ausnahmeerscheinung unter unseren Denkern. Man mache sich einmal den Spaß, seine Selbstinszenierung mit der anderer deutscher Großintellektueller zu vergleichen, und man wird Anlass haben, wahre Klassenunterschiede festzustellen.

Diese Sorgfalt in der Wahl der Kleidungsstücke ist Enzensbergers Denken keineswegs äußerlich. Vielmehr zeigt sich hier eine Haltung der Distanz und ein Stilwille, die auch seine Schriften prägen. Eleganz, dieses Wort fällt unweigerlich, wenn es darum geht, Enzensbergers Schreibstil zu charakterisieren. Voraussetzung für diese Eleganz ist ein Wille zur Verfeinerung, der sich in seiner Kleidung durch einen Hang zur legeren Bürgerlichkeit, gelegentlich auch in einem dezenten Dandyismus ausdrückte. Dass Kultur etwas mit Luxus zu tun hat, das kann man bei Enzensberger lernen.

Nicht Hans Magnus Enzensberger, sondern die Figur des antibürgerlichen und betont unmodischen Intellektuellen hat sich die Bundesrepublik zum role model der Literaten erkoren. Nachdem er in den Sechzigerjahren eine Zeit lang im Zentrum der Aufmerksamkeit stand, wurde Enzensberger eine Außenseiterposition zugewiesen. Er selbst wird sie als hilfreich empfunden haben, um in den Diskurs immer wieder gleichsam von der Seite einzubrechen. Modisch gesehen aber war sie Ausdruck der bundesrepublikanischen Provinzialität.

Dirk Knipphals

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