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Hamburgs Pleite ist verschoben

Überall Erleichterung nach dem Karlsruher Urteil zum Finanzausgleich: Der Senat kann weiter wirtschaften – erst einmal  ■ Von Peter Ahrens

Hamburg ist mit einem blauen Auge davon gekommen – erst einmal. Nach dem gestrigen Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Länderfinanzausgleich können die SenatspolitikerInnen zunächst weiter wirtschaften, ohne sich Gedanken machen zu müssen, welche Jobs sie nach der Pleite des Stadtstaates demnächst annehmen müssen. Die Stadt ist weiterhin handlungsfähig – das dicke Ende kann aber 2005 kommen.

Die Entscheidung der Karlsruher Bundesrichter, die Neuregelung des Finanzausgleiches auf das Jahr 2005 zu verschieben, sorgt dafür, dass zunächst alles bleibt, wie es ist: Die Stadtstaatenregelung, von der Hamburg extrem profitiert, soll erst in sechs Jahren überdacht werden und gilt bis dahin weiter. Wenn das Gericht der Klage der Südländer Hessen, Baden-Württemberg und Bayern recht gegeben hätte, die den ganzen Ausgleich und damit auch die Bevorzugung der Stadtstaaten abgeschafft wünschten, dann hätte das für Hamburg bedeutet: 1,5 Milliarden Mark mehr jährlich in den Topf für die ärmeren Bundesländer – damit hätte die Stadt finanziell die weiße Fahne hissen müssen. Bisher zahlt das finanzstarke Hamburg schon 600 Millionen Mark im Jahr ein.

Entsprechend erleichtert klingen die Reaktionen aus dem Rathaus. Die Stellungnahmen gleichen sich, vom Herzen purzelnde Steine allüberall. „Die Existenz Hamburgs als Stadtstaat steht nicht auf dem Spiel“, jubelt Finanzsenatorin Ingrid Nümann-Seidewinkel. Und Bürgermeister Ortwin Runde (beide SPD) sprach von „stabilen Verhältnissen bis 2004“. Dem Gericht sei er dankbar, dass die Neuregelung des Finanzausgleiches jetzt der Politik überlassen und nicht gerichtlich vorgeschrieben werde.

Da wollen die Rathausparteien nicht abseits stehen und geben gute Worte hinzu. SPD-Fraktionschef Holger Christier springt seinem Bürgermeister bei. Die Südländer seien mit ihrem Angriff auf die Stadtstaaten gescheitert, und das findet auch Regenbogens Norbert Hackbusch: „Die dramatischen Folgen für den Hamburger Haushalt sind vom Tisch.“

Sie werden allerdings spätestens in ein paar Jahren wieder drauf gepackt. Denn das Verfassungsgericht hat verlangt, dass das System ab 2005 ganz neu strukturiert werden muss. Daher wird die Diskussion um den Finanzausgleich schon bald wieder von vorn losgehen. Das Gericht hat jetzt bereits klargemacht, dass sie dann die horrenden Summen, die die reichen Länder für die Armen aufbringen, nicht mehr hinnehmen wird. Davon hätte das Geberland Hamburg zwar Vorteile – die Zahlungen würden geringer ausfallen als jetzt. Aber gleichzeitig haben die Richter auch die Stadtstaatenregelung auf den Prüfstand gestellt. Wenn die fällt, hätte ein Land wie Bremen keine Chance mehr zu existieren, und Hamburg käme extrem ins Schleudern. Die Handelskammer, die sich ebenfalls zum Urteil zu Wort gemeldet hat, spricht deshalb davon, dass Hamburg nur einen „wichtigen Etappensieg, aber noch nicht den Wettkampf“ gewonnen habe.

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