: Immer die falschen Tatverdächtigen?
Am 12. Dezember 1969 kostet ein Bombenattentat an der Mailänder Piazza Fontana siebzehn Menschen das Leben, 88 werden verletzt. Dieses Attentat und zwei andere zeitgleich in Rom sind der Beginn der „Strategie der Spannung“, die Italien bis in die Achtzigerjahre hinein erschüttern wird.
Die Mailänder Polizei verhaftet sofort bekannte Anarchisten, darunter Pietro Valpreda und Giuseppe Pinelli, der am 15. Dezember während eines Verhörs durch den Polizeikommissar Luigi Calabresi aus dem vierten Stock in den Tod stürzt.
Gegen die These der Polizei, dieser „Selbstmord“ sei ein Schuldeingeständnis, führt die Zeitung Lotta continua eine aggressive Kampagne der Gegeninformation, die Calabresi indirekt des Mordes bezichtigt. Am 17. Mai 1972 wird der Polizeikommissar auf offener Straße vor seinem Haus erschossen.
Neben dem Anarchisten Pietro Valpreda wird wegen des Attentats an der Piazza Fontana auch gegen die Faschisten Giovanni Ventura und Franco Freda und gegen den Geheimagenten Giannettini ermittelt. Sie werden 1979 zu lebenslangem Zuchthaus verurteilt, Valpreda freigesprochen.
Nachdem der Kassationsgerichtshof das zweitinstanzliche Urteil wegen Verfahrensmängeln annulliert hatte, werden alle Angeklagten 1985 freigesprochen.
Am 28. Juli 1988 werden Adriano Sofri, Ovido Bompressi und Giorgio Pietrostefani aufgrund des „spontanen“ Geständnisses ihres ehemaligen Mitstreiters in Lotta Continua, Leonardo Marino, im Mordfall Calabresi verhaftet.
Obwohl zahlreiche Augenzeugen Marino widersprechen, werden Sofri, Bompressi und Pietrostefani 1991 in zweiter Instanz zu 22 Jahren Gefängnis verurteilt, Marino erhält als Kronzeuge nur elf Jahre.
Nachdem die Kassation dieses Urteil, aber auch den folgenden Freispruch aufgehoben hat, müssen die drei Angeklagten 1997 ihre Haftstrafe antreten, Marinos Tat ist wegen des geringeren Strafmaßes verjährt. Mit neuen Zeugen gelingt der Verteidigung nach drei Anläufen im Oktober 1999 eine Wiederaufnahme des Verfahrens.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen