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Der Osten ist spannender“

■ taz-Serie „Neu in Berlin“ (2): Die Pressesprecherin Tanja Beller findet den Westteil der Stadt genauso wenig überraschend wie Westdeutschland

Tanja Beller, Pressestab Bundesverband deutscher Banken, 30 Jahre alt, seit März in Berlin:

„Unser Verband ist vor vier Monaten von Köln nach Berlin gegangen. Nachdem die Bundesregierung 1992 beschlossen hatte, Berlin zum Regierungssitz zu machen, hat sich der Verband umgehend entschieden, auch nach Berlin zu gehen. Wir müssen in der Nähe der Politik sein und Kontakte knüpfen. Wir sind die Vertretung von 285 Privatbanken, u. a. Großbanken wie der Deutschen Bank und der Dresdner Bank, aber auch von kleinen privaten Bankhäusern. Als Verband versuchen wir die Interessen der Banken bei der Politik zu vertreten. Wir stehen zwischen Politik und Wirtschaft. Im Rheinland war es egal, ob man in Köln oder Bonn seinen Sitz hatte. Die Entfernung zwischen den beiden Städten ist ja so wie in Berlin zwischen zwei Stadtteilen. Berlin entwickelt sich jetzt zu einem wichtigen Bankenplatz. Viele Banken setzen hier ins politische Zentrum Deutschlands große Repräsentanzen. Außerdem ist Berlin der Kontakthof zu Osteuropa und spielt auch als regionaler Bankenplatz für die neuen Bundesländer eine wichtige Rolle. Durch das attraktive Umfeld und die besonderen Kulturangebote fällt es auch leichter, hoch spezialisierte Finanzexperten nach Berlin zu holen – das ist auch gut fürs Geschäft. Dennoch bleibt Frankfurt für das Bankgeschäft am wichtigsten und hat durch den Sitz der Europäischen Zentralbank noch mal eine Aufwertung erfahren.

Mir gefällt es gut in Berlin. Es fällt natürlich auf, wenn man aus dem kleinen Köln kommt, wie groß Berlin ist. Ich wohne auf der Grenze von Mitte zu Prenzlauer Berg. Das ist kein Vergleich zu Frohnau oder Charlottenburg. Der Osten ist viel spannender. Ich wohne direkt am Mauerstreifen, bei der Bernauer Straße. Dort im Ostteil treffen Welten aufeinander. Das wird sich noch verstärken, wenn die Bonner aus ihrem Idyll dahin gehen. Es ist interessant, dort abends in den Kneipen ganz andere Menschen zu erleben als die, mit denen man arbeitet. Dadurch ist mein Leben nicht nur von einer Welt geprägt. Im Westteil der Stadt ist alles so gewachsen wie in Westdeutschland auch. Das hat für mich wenig Überraschendes. Im Ostteil der Stadt sehe ich aber noch viel anderes. Der Eindruck der Stadt und der Menschen ist nicht so einheitlich und glatt: kaputte Häuser, Alleen und Kopfsteinpflaster. Außerdem verändert sich alles. Wenn ich morgens zu meiner Tramstation gehe, komme ich immer an einer Currywurstbude vorbei. Und da sind schon in aller Frühe Bauarbeiter, die zum Frühstück ihre Wurst essen. Die vielen Bauarbeiter, das ist Berlin. Ich wache morgens ja schon mit Baulärm auf. Aber das zeigt auch, dass sich alles verändert.“ Aufgezeichnet von Annette Rollmann

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