: Reise um die Welt in 80 Rhythmen
■ Rainhard Flatischlers „Megadrums“ waren im Congress Centrum zu bewundern
Wenn ein Konzert zu den „Abend-events“ des 6. Internationalen Kongresses „Visionen menschlicher Zukunft“ gehört, dann herrscht eine andere Atmosphäre als bei anderen „Evening-Ereignissen“. Die Öko-, Thera- und Eso-Schickeria gab sich noch kühler als das normale norddeutsche Konzertpublikum, und die Bekannten auf dem Balkon konnten den Rezensierenden schnell daran ausmachen, dass er als Einziger zum Rhythmus zumindest mit dem Kopf wackelte. Immerhin tröstlich war, dass man sich in dieser Szene genauso teutonisch um die guten Plätze stritt wie am Swimmingpool in Las Palmas.
Zum Glück ging es auf der Bühne kosmopolitischer zu, denn dem Schweizer Mega-Rhythmiker Reinhard Flatischler ist es auch in dieser Auflage seines Projekts „Megadrums“ gelungen, Perkussionisten aus mehreren Ländern so zusammenzuführen, dass man in einigen Momenten wirklich den Rhythmus der Welt zu spüren glaubte. Diesmal hatte er wirkliche Stars auf der Bühne: Der Brasilianer Airto Moreira (Miles Davis, Chick Corea) zum Beispiel ist wohl der weltbeste Klöterer, und er hatte auch einen halben Trödelladen (mit integriertem Drumset) auf die Bühne geschleppt, in dem er ständig von einer Tröte zu einer Klingel oder zu einer Klapper griff und damit genau die richtige Klangfarbe oder Synkope spielte.
Der zweite „Megastar“ war der Inder Zakir Hussain (Shakti, Pharoah Sanders), dem das erstaunliche Kunststück gelang, auf seinen Tablas ein humoristisches Solo (mit Zitaten von „Wilhelm Tell“ bis zum „Pink Panther“) zu trommeln. Der Japaner Leonard Eto knüppelte virtuos auf den gewaltigen Kaito-Trommeln herum, und der Amerikaner Glen Velez ließ seine Hände über die Handtrommel rasen. Jeder bekam Raum für ein ausführliches Solo, auch der Saxophonist Wolfgang Puschnig und der Australier Stephen Kent, der ausgerechnet auf dem Didgeridoo, dem archaischs-ten Instrument auf der Bühne, das rockig/modernste Solo spielte.
Flatischler selbst hielt sich angenehm zurück. Er und seine Frau Cornelia setzten auf Instrumenten wie Gongs, einem „Bambusphon“ oder Congas meist den „groove“ und eine minimalistische Melodie, die ständig wiederholt und variiert wurde. Bei früheren Auftritten war Flatischler noch als etwas selbstherrlicher Zampano dahergekommen, davon ist nur noch wenig übrig geblieben.
Nur eine Unart ist ihm nicht auszutreiben: Auch diesmal mussten er und Gattin Cornelia unbedingt zeigen, wie schön sie synchrontrommeln können. Beide umrahmten sich dafür mit genau gleich gehängten Gongs, und schlugen dann mit den genau gleichen Bewegungen so schnell und kompliziert wie nur möglich los. Das Ganze war musikalisch eher mager und wirkte wie eine angeberisch präsentierte Fleißaufgabe. Aber zum Glück war dieses „homedrumming“ der Familie Flatischler schnell vorbei, und in Erinnerung bleiben die vielen Kollektiv-Trommeleien. Man hätte dazu auch gut tanzen können, aber im „Rahmenprogramm“ eines „Int. Kongresses“ gehört sich das wohl nicht. Wilfried Hippen
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