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Wo Faust über die Bühne brettert

Die „Arena“ in Treptow ist preisgekrönt saniert. Wo einst Rockkonzerte stattfanden, wird Peter Stein nun Ende 2000 sein Faust-Projekt aufführen  ■   Von Rolf Lautenschläger

Mit dem „Faust Zweiter Teil“ hatte nicht nur sein Autor Johann W. Goethe gewisse Schwierigkeiten. Der Alte aus Weimar hielt das Drama um Faust, Mephisto und Helena für unaufführbar. Die Handlung sei zu kompliziert, vertraute er sich seinem Adlatus Eckermann einmal an, und das Publikum schlicht zu blöde für derart „symbolische Dinge“. Schließlich gebe es kein Theater, auf dem die Zeitreise von der Antike bis zum Mittelalter dargestellt werden könne. Faust, Zweiter Teil blieb darum in der Schublade.

Peter Stein, Theaterregisseur und früherer Chef an der Schaubühne am Lehniner Platz, musste sich ähnliche Vorbehalte gegen das Stück anhören, ehe er günes Licht für sein „Faust-II-Projekt“ erhielt. Nach den Ablehnungen der Schaubühne und der Messe GmbH für die Deutschlandhalle soll das Mammutprojekt nun an jeweils sieben Abenden ab Ende 2000 in der Treptower Arena, dem einstigen Busdepot, über die Bühne gehen. Der Mietvertrag zwischen Steins Faust GmbH und Arena-Geschäftsführer Falk Walter ist unterzeichnet.

Bis 2001 werde das Stück in dem alten Industriebau gespielt, erklärt Walter. Zwar blockiere das Faust-Gastspiel andere Veranstaltungen und stelle somit ein finanzielles „Risiko“ für die Arena dar. Dennoch hofft der Kulturmanager, dass die Aufführung dem neuen Kulturstandort in Treptow „positiven“ Auftrieb geben werde.

Walters Hoffnungen sind nicht unbegründet. Die 7.000 Quadratmeter große Halle eignet sich – vergleichbar mit der Fabrik, in der das „ThéÛtre du Soleil“ am Rande von Paris spielt – für Goethes schwieriges Drama mit Szenenwechseln und Rückblenden, die schnellen Filmsequenzen in nichts nachstehen. Hinzu kommt, dass das einstige Busdepot gerade für 11,2 Millionen Mark aufwendig saniert und das Konzept mit einem Umweltpreis ausgezeichnet worden ist. Der Berliner Architekt Robert Demel sanierte das denkmalgeschützte Bauwerk von 1928 mit einem neuen Dach, verglaste die Giebelfassaden und konstruierte die Lichtraupen und Eingangstore neu.

„Speziell für die Dachverglasung wurden innen liegende Elemente entwickelt“, so Demel, um die Verdunkelung, Wärme und Schallschutz zu gewährleisten.“ Anders gesagt: Die Architekten bauten in die Halle ein Glashaus, das zugleich als Klima- und Lärmschutz und außerdem zur Verbesserung der Raumakustik dient. Wegen Protesten der Nachbarn, Bewohnern der neuen Siedlung unter den „Treptowers“, musste auch eine Mauer an der Ostseite des einstigen Busdepots hochgezogen werden. Arena-Betreiber Walter wirft den Bauträgern vor, sie hätten bei ihren Plänen so getan, als ob es „uns hier nicht gibt“, und den Mietern „ruhige Wohnanlagen“ versprochen.

In der Tat fechten die Arena und die Anwohner seit Jahren einen Konflikt aus, der durch die Schallschutzwand zumindest entschärft sein könnte. Busdepot und umliegendes Industrieviertel machten nach dem Fall Wandlungen durch, die eine gegenseitige Akzeptanz schwierig erscheinen ließen. Während das Areal des früheren DDR-Elektroapparatewerks EAW zum schicken Büro- und Wohnstandort an der Spree mutierte, mauserte sich das Busdepot zu Treptows bekanntester Kultureinrichtung für Konzerte, Ausstellungen, Theateraufführungen und Partys. Die Toten Hosen dröhnten, Yaam lud zu Basketball-Turnieren.

Den Mietern der neuen Wohnsiedlung ging das zu weit in der neuen Idylle. Unterschriftenlisten gegen die Arena wurden gesammelt, der Bezirksbürgermeister wurde mit Protesten genervt. Raymond Graetz, Bewohner nahe der Halle, hatte die Nachbarn gleich im Visier: „Stellen Sie sich vor, Sie sitzen auf der Terrasse und plötzlich bricht der Punk los.“

Für die Arena-Macher lag der Grund für die Misere darin, dass sie als Pächter drei Jahre auf den Erbpachtvertrag von der Finanzverwaltung hatten warten müssen, ehe dieser 1996 abgeschlossen wurde. Erst dann konnte Walter mit der rund 11 Millionen Mark teuren Sanierung beginnen und Darlehen und Kredite aus EU-Fördertöpfen beantragen.

Mit einem auf 35 Jahre festgeschriebenen Pachtvertrag, der Sanierung, dem Umbau der Halle sowie dem Schallschutz „können wir jetzt erst richtig loslegen“, sagt der Arena-Chef. Für den Faust, der auf der Expo 2000 seine Premiere feiert, käme das gerade recht. Denn Hexentänze und Vulkanausbrüche, Erdbeben und Flugsimulationen zwischen Griechenland und Deutschland brauchen eine stabile Halle und eine gute dazu.

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