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Der Meister der Zuversicht

Walther Leisler Kiep – seit mehr als fünfzehn Jahren fällt sein Name, wenn es um zwielichtige Geschäfte geht. Doch der bewertet die Vorwürfe routiniert als „Rufmord“  ■   Von Bernd Siegler

Berlin (taz) – „Der liebe Walther ist ein Typ, mit dem man Pferde stehlen kann.“ Bundeskanzler Gerhard Schröder hält große Stücke von dem „deutschen Patrioten im besten Sinne“, der derzeit die CDU in schwere Nöte bringt. Nicht weil Walther Leisler Kiep etwa Pferde geklaut hätte, sondern weil er im August 1991 im schweizerischen St. Margarethen aus den Händen des dubiosen Waffenhändlers Karlheinz Schreiber eine Million Mark, gut verpackt in einem Metallkoffer, entgegengenommen hat, an „verdiente Mitarbeiter“ verteilt und den Rest zur Begleichung seiner Anwaltsrechnungen verwendet haben soll. Steuerhinterziehung, Untreue, Unterschlagung oder was?

Eines ist klar: Der Mann mit dem kantigen Profil, dem grau melierten Haar und einem steten Lächeln im Gesicht („Kiep smiling“) kennt sich mit Geldkoffern bestens aus. In der Parteispendenaffäre, die Mitte der 80er-Jahre die Republik erschütterte, waren von Unternehmen wie Flick, Bosch, Deutsche Bank, Daimler Benz oder Karstadt weit über 200 Millionen Mark an die vom Bundesverband der Deutschen Industrie aus der Taufe gehobene „Staatsbürgerliche Vereinigung e. V.“ gezahlt worden. Die Gelder flossen als gemeinnützige Spenden getarnt auf Auslandskonten und gingen dann in Koffern oder per Überweisung an die eigentlichen Empfänger, die Unionsparteien und die FDP. Mitten drin in dieser illegalen Form der Parteienfinanzierung: der damalige CDU-Schatzmeister Walther Leisler Kiep.

Der Mann kennt sich mit Geldkoffern bestens aus

Es war zu diesem Zeitpunkt nicht das erste Mal und sollte auch nicht das letzte Mal sein, dass der 1926 in Hamburg geborene Kiep mit dubiosen Geschäften in Verbindung gebracht wurde. Nötig hätte er es eigentlich nicht. „Wenn ich von den Zinsen meines Vermögens leben müsste, könnte ich gut leben“, verriet der Mann schon Anfang der 80er-Jahre dem Herrenmagazin Playboy.

Kieps Vater war Generaldirektor der Hamburger Landesbank. Die Familie besaß bedeutende Aktienanteile an der Hoechst-AG und anderen Firmen. Nach dem Abitur studiert Walther Leisler Kiep Geschichte und Volkswirtschaft, beginnt eine kaufmännische Lehre, arbeitet als Autoverkäufer bei Ford und geht dann in die Versicherungswirtschaft. Doch ein Kiep bäckt keine kleinen Brötchen. Walther Leisler steigt als Teilhaber in das überaus florienden Versicherungsunternehmen Gradmann & Holler ein und geht in die Politik. 1961 tritt er der CDU bei, schon vier Jahre später zieht er in den Bundestag ein und wird 1971 von der Partei zum Schatzmeister gewählt.

In der Politik beweist Kiep fortan Weitblick. Den zukünftigen Handel mit dem Ostblock im Visier stimmt er 1973 in der Auseinandersetzung um die Ostpolitik abweichend von der CDU-Mehrheit für den Grundlagenvertrag und drei Jahre später für den Vertrag mit Polen. Seitdem gilt er als liberaler, eigenständiger Kopf und ist oft für eine Schlagzeile gut. So auch Anfang 1974, als er nach ausgiebigem Saunabad beim Luftschnappen in seinem Garten angeschossen wird. Eine „Unterorganisation der RAF“ wird für den Anschlag verantwortlich gemacht.

Charme, der sich in Mark und Pfennig niederschlägt

1976 tritt Kiep als Finanzminister in die niedersächsische Regierung Albrecht ein. Der Schöngeist macht jetzt auch als Schönling Punkte. Da er „hingebungsvoll alles Gute, was der Markt zu bieten hat“, an seinen Körper lässt, kürt ihn die Kosmetikfirma Marbert 1977 zum „Star unter den kosmetikbewussten Politikern“.

Politisch jedoch geht es schon bergab. Schnell macht der Verdacht die Runde, der umtriebige Kiep habe private und amtliche Geschäfte kräftig durcheinandergebracht – zum eigenen Vorteil, versteht sich. So gelang es ihm, auf wundersame Weise eine Vielzahl von Firmen als Versicherungskunden zu gewinnen, die Wünsche an sein Amt hatten oder von ihm als Aufsichtsrat kontrolliert wurden.

1980 zieht es ihn in die Bundespolitik, und zur Überraschung vieler gehört er zum Schattenkabinett des Schmidt-Herausforderers Franz Josef Strauß. Zu dieser Zeit tritt Kiep, ansonsten ein Verfechter der kontrollierten Abrüstung, für höhere Rüstungsausgaben und Auslandseinsätze der Bundeswehr ein. Sein liberales Image erleidet Kratzer. Als Spitzenkandidat der CDU in Niedersachsen fährt er bei der Bundestagswahl 1980 ein Ergebnis ein, das der damalige Ministerpräsident Albrecht schlicht „große Scheiße“ nennt: Minus 5,9 Punkte und unter 40 Prozent.

Auch sein Versuch, als außenpolitischer Sprecher des damaligen Unionsfraktionsschefs Kohl wieder Fuß in Bonn zu fassen, schlägt fehl. Kohl schickt ihn als Spitzenkandidat für die Bürgerschaftswahl 1982 nach Hamburg. Dort macht Kiep die CDU zwar zur stärksten Partei, doch es reicht nur zur Opposition. Und für die hält sich der smarte, stets verbindlich auftretende Hanseat nicht geschaffen. Schon im April 1983 gibt er sein Bürgerschaftsmandat zurück. „15 Jahre Politik, ohne eine Spur im Schnee zu hinterlassen“, schreibt er deprimiert in sein Tagebuch.

Spuren hinterlässt er dann aber doch – eben als CDU-Schatzmeister in der Parteispendenaffäre. Im Mai 1991, vier Monate bevor er in der Schweiz erneut einen Geldkoffer übergeben bekommt, steht er wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung vor Gericht. Trotz erdrückender Beweise – zu oft hatte seine Unterschrift unter einschlägigen Bitt- und Dankesschreiben gestanden – fordert Kiep selbstbewusst für sich einen Freispruch. 675.000 Mark Geldstrafe lautet das Urteil. Spenden in Höhe von 17,5 Millionen Mark hatte Kiep illegal an die CDU verschoben. Ein Jahr später, im Oktober 1992, hält der Bundesgerichtshof 40 der 41 Fälle für bereits verjährt und hebt das Urteil wegen formaler Fehler wieder auf. Im gleichen Monat gibt Kiep nach 21-jähriger Amtszeit den Schatzmeisterposten auf.

Danach wird es etwas ruhiger um den Mann. Er wirkt lieber etwas im Hintergrund. Umtriebig pendelt der Vorsitzende der Gesellschaft „Atlantik-Brücke“ – inoffizieller Wahlspruch: „Was für die USA gut ist, muss für die BRD erst recht richtig sein“ – zwischen New York, Moskau und Paris. Hier ein Beratervertrag, dort ein paar Aufsichtsratsposten. Zunächst war Kiep im Auftrag der Kohl-Regierung unterwegs, zuletzt als „Experte“ für Kanzler Schröder. Zwischendurch schreibt er daheim, in seiner Villa im hessischen Millionärsstädtchen Kronberg, sein Tagebuch. Dort bezeichnet er Kohl als „merkwürdig“, Dregger als „chauvinistisch“ und Carstens als „kleinkariert“, wirft mal der eigenen Fraktion „geballte Mittelmäßigkeit“ vor oder träumt von der eigenen Kanzlerschaft.

Immer wieder fällt Kieps Name, wenn es um zwielichtige Geschäfte geht. Beim Verkauf der Minol-Tankstellen an den französischen Konzern Elf-Aquitaine, bei dem die französischen Behörden 1997 wegen Schmiergelder in zweistelliger Millionenhöhe ermitteln, war Kiep „vermittelnd“ tätig. Und jetzt bei der millionenschweren Panzerlieferung nach Saudi-Arabien? Kiep sei der Typ von Mann, „dessen bestechender Blick und routinierter Charme sich in Provision und Courtage, in Mark und Pfennig, niederschlagen“, schrieb der Spiegel in weiser Voraussicht schon 1982. Kiep selbst stört sich an solchen Urteilen nicht. Selbstbewußt weist er auch jetzt alle Vorwürfe als „Rufmord“ zurück. Der „Mann ohne Hausmacht“ (Kiep über Kiep) gab den schwarzen Peter an die CDU weiter und blätterte 500.000 Mark als Kaution auf den Tisch. Nach der Vernehmung bei der Staatsanwaltschaft „musste“ er „erst mal nach Amerika“. Ohne weitere Worte entfleuchte er der Journalistenschar. „Kiep smiling“, versteht sich – ganz nach seinem Lebensmotto (und Buchtitel): „Was bleibt, ist große Zuversicht“.

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