4-mal Wahlanfechtung ist Bremer Recht

■ Tag der Loser: Gegen die Bürgerschaftswahlen vom 6. Juni haben vier Gruppierungen Widerspruch eingelegt und fordern Neuwahlen oder eine neue Sitzverteilung

Gestern war der Tag der Zu-Kurz-Gekommenen. Gleich vier Gruppierungen begründeten vor dem Verwaltungsgericht, warum sie die Wahl zur Bremischen Bürgerschaft vom 6. Juni 1999 anfechten. Realistische Chancen auf Neuwahlen darf sich wohl niemand machen – nicht zuletzt, weil fünf der sieben richterlichen Entscheider selbst Abgeordnete der Bremischen Bürgerschaft sind.

Vor Gericht trafen sich nicht nur Vertreter der Wählervereinigung „Arbeit für Bremen“ (AfB), die es im Land Bremen gerade einmal auf 2,44 Prozent der Stimmen gebracht hatten und somit an der Fünf-Prozent-Hürde gescheitert waren. Einspruch erhoben hatten außerdem die „Grauen Panther“, die ebenso wenig an den Wahlen teilnehmen durften wie das „Bündnis Parteiloser Bürger“ und der „Verein zur Förderung der Lebensfreude/V99“ mit Günther Kahrs alias Meister Propper als früh gescheitertem Spitzenkandidat. Die Argumentationen der vier Gruppierungen unterschieden sich allerdings grundlegend.

So hatte die AfB für ihren Einspruch gegen die Wahlen vor allem die Fünf-Prozent-Hürde geltend gemacht: Da in Bremen gleichzeitig die Stadtbürgerschaft und der Landtag gewählt werden, gilt auch für beide Gremien die Sperrklausel von fünf Prozent. Auf kommunaler Ebene aber (Stadtbürgerschaft) sei dies nicht angemessen. Ohne die Sperrklausel, rechnet die AfB vor, hätte die PDS drei Abgeordnete, und AfB, DVU und F.D.P. jeweils zwei Abgeordnete in die Stadtbürgerschaft (die getrennt vom Landtag ihre Sitzungen abhält) versenden können. Zudem hätte das Wahlrecht spätestens 1996 überprüft werden müssen, als EU-Bürger das aktive und passive Wahlrecht für die Stadtbürgerschaft erhielten. Denn anders als ein EU-Bürger kann ein deutscher Stadtbremer seine Stimme nicht ausschließlich für seine kommunale Politikvertretung abgeben. Zudem darf ein gewählter EU-Bürger den Senat nicht mitwählen – der doch auch über kommunale Angelegenheiten entscheidet.

In der Bremischen Verfassung sei nur eine Wahl vorgesehen, entgegnete Landeswahlleiter Dieter Matthey. Dass die EU-Bürger jetzt das aktive und passive Wahlrecht ausüben dürfen, ändere nichts an der Tatsache, dass es bei einem Wahlgang bleiben müsse. Der Richter meldete an, dass die vorgebrachten Argumente eher für ein Normenkontrollverfahren denn für eine Wahlanfechtung zählen würden.

Danach waren die „Grauen Panther“ an der Reihe. Sie argumentierten gegen eine Ungleichbehandlung kleiner Gruppierungen. Deshalb habe man früh aufgegeben, Unterstützerunterschriften zu sammeln und sei letztendlich gar nicht angetreten. Doch das Gericht deutete an, dass Zweifel bestanden, ob die Panther überhaupt Einspruch einlegen durften.

Am ehesten punkten konnte überraschenderweise der Politik-Sponti Günther Kahrs alias Meister Propper. Denn die nicht ganz unumstrittene Ablehnung des „Vereins 99“ durch den Wahlausschuss schien etwas voreilig: Zwar hatte der Wahlantrag einige Mängel aufzuweisen. Diese seien jedoch nicht „unheilbar“ gewesen, deutete das Gericht an. Zudem verwies Propper darauf, dass andernorts skurrile Vereinigungen wie der Biertrinker-Verein, die örtliche Feuerwehr oder auch eine „Alzheimer-Partei“ (“Wir vergessen alles“) zugelassen wurden: „Die vielgepriesene Liberalität in Bremen kann ich nicht entdecken“, sagte Meister Propper.

Die wenigsten Chancen hatte das „Bündnis parteiloser Bürger“. Der Vorstand wurde in offener statt geheimer Wahl gewählt – ein Verstoß gegen die Bedingung, dass nach „demokratischen Grundsätzen“ gewählt werden muss. „Wir fühlen uns jetzt aber nicht als undemokratischer Haufen“, sagte der Bündnisvertreter zur drohenden Niederlage. „Wir wussten das einfach nicht“. Die Beschlüsse werden am 29. November verkündet. cd