: Keine Kenntnis der Verhandlungen
■ Reifenhersteller Continental hält sich für „ein kleines Licht“ und will noch keine finanziellen Zusagen für den Fonds machen
Continental-Sprecher Peter Schwerdtmann spielt auf Zeit: „Lasst Lambsdorff erst mal verhandeln.“ Solange der Poker um die Entschädigung von Zwangsarbeitern nicht entschieden ist, will der Reifenhersteller keine finanziellen Zusagen machen. „Im Vergleich zu den jetzt beteiligten Firmen sind wir nur ein kleines Licht“, sagt Schwerdtmann. Im letzten Kriegsjahr waren für die Continental rund 1.500 KZ-Häftlinge im Einsatz.
Ihren Aufstieg zum führenden Unternehmen der deutschen Gummi-Industrie verdankte die 1871 gegründete Aktiengesellschaft dem Boom der Automobilindustrie. Als der Konzern während des Zweiten Weltkriegs auf die Produktion von Kraftstofftanks und Gasmasken umschwenkte, konnte der akute Arbeitskräftemangel nur durch ausländische Zwangsarbeiter ausgeglichen werden. Mehr als ein Drittel der Belegschaft stammte 1944 aus von Deutschland besetzten Gebieten – 4.546 Zivilarbeiter und 903 Kriegsgefange. Von den KZ-Häftlingen in den Conti-Lagern Stöcken und Limmer ist in der Firmengeschichte von 1971 hingegen nicht die Rede. Weibliche Gefangene aus dem KZ Ravensbrück stellten in Limmer Gasmasken her.
1971 erklärte der Konzern gegenüber der Entschädigungskammer des Landgerichts Köln, das Lager Stöcken sei von der Gestapo zur Einrichtung eines KZ beschlagnahmt worden. Damit stellte das Unternehmen die Einrichtung eines KZ-Lagers auf dem Werksgelände als Eingriff von außen dar, dem die Firma passiv gegenüberstand. Einen Beweis gibt es nicht: Die Unterlagen aus der Kriegszeit sind verbrannt.
Im August bescheinigte das Arbeitsgericht Hannover jedoch drei ehemaligen KZ-Häftlingen, beim Reifenhersteller Continental AG kraft eines Arbeitsverhältnisses beschäftigt gewesen zu sein. Die Richter sprachen ihnen rund 14.000 Mark zu und stellten damit die bisherige Rechtsprechung auf den Kopf. Continental will das Urteil nicht hinnehmen. „Wir halten das Arbeitsgericht für nicht zuständig“, sagte Schwerdtmann.
Den Vorwurf, eine Blockadepolitik zu betreiben, lässt Schwerdtmann dennoch nicht gelten. „Wir sehen schon die Verpflichtung für ein Unternehmen wie die Continental, sich an Entschädigungszahlungen zu beteiligen.“ Das Unternehmen hat bereits Gespräche mit dem Beauftragten der Bundesregierung, Otto Graf Lambsdorff (FDP), geführt. Über seinen möglichen Anteil hält sich Schwerdtmann aber bedeckt. „Wir wissen ja gar nicht, was jetzt verhandelt wird.“ Kein Wunder, ist Continental doch an der Stiftungsinitiative der Wirtschaft nicht beteiligt.
Nicole Maschler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen