piwik no script img

Steckdose im Internet

Für Schwedens Stromkonzern Vattenfall ist der Erwerb von HEW-Aktien der Schlüssel zur Expansion südlich der Ostsee  ■ Aus Stockholm Reinhard Wolff

Mit dem Erwerb der HEW-Anteile kann die Konzernleitung von Vattenfall einen weiteren und vermutlich einen der wichtigsten Pos-ten auf der Liste der geplanten Aufkäufe in Kontinentaleuropa, wie die außerskandinavischen Länder in Schweden genannt werden, abhaken.

1996 hatte die damals fast nur auf dem heimatlichen Markt tätige Staatsgesellschaft die Umrisse für eine Expansion nach Resteuropa projektiert, um damit auf die im gleichen Jahr in Schweden zu Ende gehenden bequemen Zeiten des Strommonopols zu reagieren.

Nun, drei Jahre später, hat man diesen Auslandsanteil bereits auf 25 Prozent hochgekauft (1998: 18 Prozent). HEW wird dazu beitragen, diese Quote der angestrebten 50-Prozent-Marke ein tüchtiges Stück näher zu bringen.

Passend fällt dieses neue Riesenpuzzleteil auf Vattenfalls Expansionskarte zeitlich gerade auf den Platz, wenn es im Mutterland mit der Liberalisierung des Strommarkts tatsächlich ernst wird. Seit 1. November können alle SchwedInnen im Prinzip monatlich mit einem kurzen Telefonanruf oder einem Klick im Internet den Stromlieferanten wechseln und sich unter insgesamt über 150 Stromanbietern denjenigen heraussuchen, der ihnen dann gerade den Strom am billigsten in die Steckdose liefert.

Eine Marktöffnung, die zu Preisabschlägen von mehr als 30 Prozent beim mit etwa 3-4 Pfg/kwh europaweit sowieso rekordbilligen Strompreis geführt hat, eine heiße Konzentrationsphase unter den Stromanbietern ausgelöst und die großen Stromproduzenten veranlasst hat, verstärkt auf einträglicheren Auslandsmärkten nach Kunden zu suchen. Der HEW-Kauf, der immerhin fast den gesamten erwarteten Jahresgewinn von etwa 2 Milliarden Mark aufzehren wird, soll den Europamarkt endgültig öffnen.

Vattenfall ist ein offensives Unternehmen, das seinen über 2 Millionen schwedischen Haushaltskunden neben Strom mittlerweile auch billiges Telefonieren und Versicherungen bietet. Für die nähere Zukunft plant man ein von Telefonleitungen unabhängiges über den Stromanschluss laufendes umfassendes Telekommunikationsangebot für Privathaushalte, das neben gängigen Telefondiensten und einer billigen Dauerinternetverbindung bis zum Ferneinschalten von Beleuchtung und Heizelementen reichen soll.

Als erstes Stromunternehmen schaffte Vattenfall es, ein grünes Umweltzertifikat für ein Drittel seiner Stromproduktion zu erhalten: Den meisten Wasserkraftstrom darf man jetzt trotz heftiger Bedenken von UmweltschützerInnen, die Wasserkraftwerke gar nicht so umweltfreundlich finden, als grünen Strom vermarkten.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen