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Kröning: „Mehr Niederlage als Sieg“

■ Einhellig freut sich Bremens große Koalition über das Urteil zum Länderfinanzausgleich / Einer kann in die Freude gar nicht einstimmen: der Bremer Bundestagsabgeordnete Volker Kröning

Der frühere Bremer Finanzsenator Volker Kröning und derzeitige SPD-Bundestagsabgeordnete ist der Beauftragte seiner Fraktion für die Neuregelung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen. Er hat sich skeptischer als die Bremer Regierungskoalition über das Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zum Länderfinanzausgleich geäußert. Das Urteil sei „für die Beklagten mehr Niederlage als Sieg“, glaubt Kröning. Bremens Bürgermeister Henning Scherf hat diese abweichende Stimme im Hörfunk abfällig beiseite gewischt; da Kröning der einzige Politiker aus den Reihen der Bremer Koalitionsparteien ist, der sich differenzierter zu dem Urteil äußert, wollten wir es genauer wissen.

taz : Was passiert, wenn es bis zum 31.12.2002, dem vom Gericht als Deadline gesetzten Datum, kein Ergebnis bei den Verhandlungen über einen neuen Bund-Länder-Finanzausgleich gibt? Nach dem Spruch des Verfas-sungsgerichtes ist der derzeitige Länderfinanzausgleich dann nichtig. Nach der Aussage von Ministerpräsident Erwin Teufel müssen die Geber-Ländern dann nicht mehr zahlen.

Volker Kröning: Mit diesem worst case hat sich bisher wohl noch niemand auseinandergesetzt. Es muss allerdings kein worst case für Bremen sein, wenn sich Bremen wirtschaftlich stark fühlt.

Kann man sagen, dass die Nehmerländer durch diese Terminierung unter sehr viel höheren Einigungsdruck gesetzt sind als die Geber-Länder?

Das auf jeden Fall. Bremen hatte ja in Karlsruhe argumentiert, das Gericht brauche gar nicht einzugreifen, weil eine Teilrevision ohnehin ins Haus stünde. Dies ist von dem Gericht damit unterlaufen worden, dass es eine Totalrevision verlangt hat. Und dafür hat das Gericht die Frist verkürzt. Die starken Länder können die Entwicklung eher auf sich zukommen lassen als die Schwachen.

Die Geberländer haben mit dem Vorwurf gearbeitet, es gebe eine „Übernivellierung“ durch die Summe der Ausgleichszahlungen.

Das Verbot der Übernivellierung hat das Gericht ausdrücklich von den antragstellenden Ländern übernommen und das wird bezogen auf Länderfinanzausgleich und Bundesergänzungszuweisung. Die Bundesergänzungszuweisungen dürfen nach dem Urteil nur eine Ergänzungsfunktion haben. Dieses Kriterium wird der Bund, der sich ja ebenfalls in Haushaltsnotlage befindet, nutzen.

Der Status quo in der mittelfristigen Finanzplanung Bremens sieht vor, dass ab dem Jahre 2005 jährlich eine Neuverschuldung von einer Milliarde Mark auf den derzeitigen Schuldensockel von ca. 20 Milliarden draufkommt. Wie lange kann das Land Bremen das durchhalten?

Nach den gegenwärtigen Werten liegt die Neuverschuldung höher, die wird ja nur verdeckt durch die Sanierungs-Zahlungen und durch die Kapitaldienstfinanzierungen außerhalb des Haushaltes.

Die Ausgaben sollen so drastisch heruntergefahren werden, dass ab 2005 nur noch die Investitionssumme von einer Milliarde als Neuverschuldung gebucht werden muss.

Das wirkt auf mich mehr normativ als prognostisch. Ich denke, dass bei diesem Finanzrahmen eine Platzverbesserung im System der Finanzverteilung impliziert war, von der man nach der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes nicht mehr sicher ausgehen kann.

Ist das Urteil in Berlin im Bundestag angekommen?

Aber ja. Das ist hinter den Kulissen das Schlüsselthema, weil es um die Bund-Länder-Finanzbeziehungen geht, die auch bei der Steuergesetzgebung stets präsent sind. Die Koalition war bisher darauf eingerichtet, dass das bestehende System bis 2004 nicht tangiert wird. Es sollten dann auch die Gemeindefinanzen und die Europa-Finanzen in den Blick genommen werden, auch die Aufgaben-Verteilung. Diese ganze Tagesordnung ist weggefegt. Nun haben wir den Arbeitsplan der Ministerpräsidenten, aber auch auf der anderen Seite Überlegungen der Fraktionen des Bundestages. Das Gericht hat klargemacht, dass es nicht mehr das freie Dealen der Länder geben kann ...

Sozusagen die freihändigen Kompromisse am Kamin.

Ja. Ich war selber daran beteiligt, da wurde ja ein Länderstandpunkt gegen den Bund durchgesetzt. Bundestag und natürlich Bundesrat sollen nun in ihre Rechte und Pflichten zurückversetzt werden. Von den Ländern, die ja tief zerstritten sind, werden Anregungen kommen, aber das Entscheidungszentrum ist der Bundestag.

Eine 16:0-Entscheidung der Länder wäre wieder ein Kompromiss zu Lasten des Bundes.

Das passiert natürlich nicht. Man sollte nicht glauben, dass da einer schläft. Der Bund ist in der gleichen Haushaltsnotlage wie Bremen. Die Schieflage, in der der Bund ist, muss auch abgebaut werden. Der Bund wird daher nicht auf die Länder warten, sondern sie einbeziehen. Die Zins-Steuer-Quote des Bundes liegt bei 22 Prozent, fast jede vierte Mark muss für Zinsen ausgegeben werden. Vor diesem Hintergrund wird es mehrfach schwierigere Verhandlungen als 1992/93 geben. Damals hatten alle Beteiligten den Eindruck, man könnte mit dem Einigungs-Boom dauerhaft rechnen.

Es geht ja auch um Lobbies. Rein politisch gesehen muss doch der Bundesfinanzminister sich mit den reichen, steuerstarken Ländern verbünden, zumal die Koalition im Bundesrat keine Mehrheit hat.

Er wird sich hüten, das zu sagen. Aber man wird ihn nicht hindern können, das zu denken.

Fragen: K.W.

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