Respect, don't do it!    ■ Von Wiglaf Droste

Immer wieder verblüffend sind junge Männer, die einem mit den Fingern vor dem Gesicht herumfuchteln und verlangen: „Respekt!“ Warum nur? Wofür? Für wen? Für was? Einfach so? Nur für da sein? So hätten sie es gern, stochern weiter in der Luft herum und schreien: „Respekt!“

Häufig bringen sie dazu ihre geballte Lebenserfahrung in holprige Reime und werfen dieses enorme Gewicht in die Waagschale. Nicht wenige kultivieren eine Art Pidgindeutsch: „Ey Allta, geb isch disch korreckt! Ey Allta, hau isch Fresse!“ Das ist natürlich höchst respektabel; deshalb ist die Verwunderung der jungen Männer auch so groß darüber, dass die Welt nicht ehrfurchtsvoll beiseite tritt, wenn sie des Weges gestampft kommen. In tiefe, ehrlich empfundene Gekränktheit schlägt diese Verwunderung um, wenn die Welt, so sie weiblich ist, nicht vor ihnen auf die Knie fällt und ihnen einen bläst. Und anschließend haucht: „Oooh, bist du guuut!“

Denn darauf haben sie ein Anrecht. Wenn ihnen das verweigert wird, werden sie sauer. Richtig stinkig. So eine Respektlosigkeit! Sie haben doch alles, was tätige Bewunderung auslösen muss: Lack oder Schmiere im Haar, Angeberklamotten, Ringe und Kettchen in ausreichender Menge, gern ein Fotzenbärtchen oder Koteletten bis der Arzt kommt – allesamt Insignien ihrer Großartigkeit. Wie kann man ihnen da den Respekt verweigern?

Wo sie doch auch Kloppsport machen und schlechte Musik hören können! Das sind doch wichtige Fähigkeiten! So richtig den Max raushängen lassen! Den Charme eines Bulldozers auspacken und ab geht's! Raumgreifend den Lauten machen. Was ist das nur für eine miese, schäbige Welt, die ihnen dafür nicht an den Lippen hängt, vulgo an der Pupe nuckelt?

Manchmal können sie sogar lesen und schreiben und haben einige Wörter gelernt. „Definitionsmacht, Baby!“ oder „Deutungshoheit“. Dann machen die jungen Männer in Kultur. Kultur geht so: Was muss man hören, was muss man tragen, was muss man sagen? Wie muss man sein? Was darf man nicht? Wie spricht der aktuelle DIN-A-Null-Kopf? Welche Hausschlappen trägt er dabei, welches Zierbuch liegt aufgeschlagen auf dem Tisch? Welcher Dickdenker ist Accessoire des Monats?

Aufgeregte Benimmlehrer werden es dir erzählen, ob du willst oder nicht. Früher gab es dafür Frisöre und Tanzschulen. Heute hat das Feuilleton diese wichtige Aufgabe übernommen. Und hinter dem Krawattenknoten sitzt das Schlucken im Hals, das bibbernde Ego, das ganz arme Betteln um Respekt.

Der aber wird nicht gewährt, nicht für nichts. Das ist eine gute Regel. Die Welt, das ist der große Jungmännerschmerz und -jammer, nimmt niemals genügend Notiz, beachtet sie niemals gebührend, sieht durch sie hindurch, weicht ihnen aus, wenn sie Aufmerksamkeit erpressen, oder, und das ist das Ärgste, begegnet den aufgeplusterten Komplexies mit milde amüsiertem Spott und singt: „Respect, don't do it!“ Da könnten sie dann heulen vor Wut und trösten sich mit einer Fassade, die sie zum Stil verklären.

Von Spiegelbildern umstellt steht der junge Mann in der Welt herum und wütet darüber, dass er von Arschlöchern umgeben ist.