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Scheindebatte um neue Ökosteuer

Diskussion um die vom Bundestag beschlossene Steuerbefreiung für Gaskraftwerke bringt NRW-SPD in die Bredouille. Grüne wollen „Kohle-Ajatollahs“ nicht nachgeben  ■   Vom Niederrhein Pascal Beucker

Sechs Monate vor der Landtagswahl beginnt in Nordrhein-Westfalen schon der Wahlkampf. Ausgelöst hat ihn die 2. Stufe der Ökosteuerreform. Die CDU will noch vor der Abstimmung im Bundesrat am 26. November über die „Auswirkungen der Ökosteuer in NRW“ im Landtag debattieren. „Die SPD hat die Arbeiter verraten“, tönt landauf, landab CDU-Landeschef Jürgen Rüttgers. Für den Clement-Herausforderer ist der Streit um den Braunkohletageabbau das Wahlkampfthema, mit dem er die SPD bei den Landtagswahl im Mai schlagen will. Die SPD spricht von „Wahlkampfgetöse“ – doch ihre Nerven liegen blank. Die Drohung des RWE-Vorstandsobersten Dietmar Kuhnt, in die Braunkohle werde nur investiert, wenn sie wirtschaftlich sei, und dies sei mit der Ökosteuerreform und ihrer Begünstigung von Gaskraftwerken nicht mehr gegeben, bringt die Genossen tatsächlich in arge Bedrängnis. Das Aus für Gartsweiler II am Niederrhein droht. Nicht nur das: Auch das 25 Milliarden schwere Neubauprogramm für neue und saubere Kohlekraftwerksanlagen steht auf der Kippe. Die Dortmunder VEW Energie AG hat bereits den geplanten Neubau eines Kohlekraftwerks in Hamm-Uentrop verschoben. Der SPD in NRW droht ein Desaster. Schließlich hatte sie – gerade im Streit mit den Grünen – immer vor dem Arbeitsstellenverlust gewarnt, falls das Tagebauprojekt im rheinischen Revier nicht realisiert würde.

Dabei ist der Streit über eine vermeintliche Begünstigung von Gaskraftwerken gegenüber der Stein- und Braunkohle eine Scheindebatte. Denn nach den Vorstellungen der rot-grünen Bundesregierung sollen nur besonders effektive Gaskraftwerke der schon immer mineralölsteuerfreien Kohle – und Atomkraft – gleichgestellt werden. Von einer Bevorteilung kann nicht die Rede sein. Außerdem gibt es in der Bundesrepublik bislang keine Gaskraftanlage, die einen elektrischen Wirkungsgrad von mindestens 57,5 % der verwendeten Energie erreicht – das ist jedoch die Hürde für die Steuerbefreiung. Ob es in Deutschland alsbald überhaupt eine solche Anlage geben wird, ist unklar.

Die Steuerreferentin des Bundesverbandes der Gas- und Wasserwirtschaft, Sabine Rauser, ist skeptisch: „Die Regierung hat die Messlatte enorm hoch gelegt.“ NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn vermutet denn auch andere Gründe für die Ausstiegsdrohungen von RWE. „In einem veränderten liberalen Energiemarkt hat die Braunkohle in dieser Form keine Chance mehr.“ Dass wisse auch RWE. Alle großen Investitionsentscheidungen des Unternehmens seien daher in der jüngsten Vergangenheit gegen den Braunkohletageabbau im rheinischen Revier getroffen worden. So baut RWE selber bereits ein hochmodernes Gaskraftwerk in Amsterdam. Das Unternehmen suche nur einen „Sündenbock in der Politik“.

Schlechte Karten für SPD-Ministerpräsident Wolfgang Clement. Doch unverdrossen wie einst Don Quichotte gegen die Windmühlen, kämpft er gegen die rot-grüne Bundesregierung und den eigenen grünen Koalitionspartner. Die Ökosteuerreform sei „ökonomisch und energiepolitisch falsch“, verkündete der designierte Schröder-Stellvertreter. Im Einvernehmen mit seiner Landtagsfraktion will er „alles“ gegen die Reform unternehmen, „was möglich ist“. Auch gegen die Grünen. Denn in NRW wackele nicht der Schweif mit dem Hund. Das große Loch am Niederrhein dürfe nicht gefährdet werden.

Die SPD-Fraktion sprach sich einstimmig gegen die Steuerbefreiung von Gas- und Dampfturbinenkraftwerken aus. Sie werde in Sachen Braunkohletageabbau nichts anbrennen lassen, „da sollte sich Frau Höhn keine falschen Hoffnungen machen“, sagte Fraktionschef Manfred Dammeyer. Höhn hatte dem geplanten rheinischen Mega-Loch eine „Beerdigung 2. Klasse“ vorausgesagt. Die Grünen bleiben indes bei ihrer Ablehnung von „Nachbesserungen“. Die umweltfreundliche Gastechnologie, erklärte ihr Landessprecher Reiner Priggen, dürfe „nicht am Widerstand der Kohle-Ajatollahs“ scheitern.

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