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Dasch isch keine Massenveranstaltung“

■ Die „Lucullissima“, eine Fachmesse für Wein & Genuss, will zeigen, wie es sich besser lebt. Auch wenn nur wenige Feinschmecker kommen, sind die Veranstalter zufrieden

Die Vorfreude desjenigen, der in der novembrigen Feuchtkälte durch die London-Dock-ähnlichen Anlagen am Spreebogen stapft und sich erwartungsvoll in die erste Etage des Sorat-Hotels bequemt, wird enttäuscht. Dann jedenfalls, wenn er etwas Bacchantisches, ausufernd Völlerisches hinter dem Namen „Lucullissima“ erwartet.

Das große Foyer empfängt den Besucher mit distinguiertem Overlay-Weiß der Aussteller, die auf dieser zum zweiten Mal stattfindenden „Internationalen Fachmesse für Wein & Genuss“ vertreten sind. Nur der Charlottenburger Laden „Wein und Vinos“, direkt am Eingang, lockt mit opulentem Brokatüberhang; ansonsten ist niemand auf Show aus.

„Das isch keine Massenveranstaltung“, sagt Manfred Schmidt, Inhaber des Weinguts Consequence, „hier hat mansch mit Weinkennern zu tun.“ Der Ökowinzer vom Kaiserstuhl, energischer Verfechter der pflanzenschutzmittelarmen und „aus Qualitätsgründen“ gentechnikfreien Weinproduktion, hat den Weg nach Berlin unternommen, weil auf der Lucullissima wirklich anspruchsvolle Kundschaft zu gewinnen ist. Und die braucht der Öko-Rivaner nun mal, will er gegen den Schleuderpreis-Pinot von Aldi bestehen.

Ähnlich sieht es Veranstalter Guido Steinhagen, zugleich Gründer des Gourmet-Vereins Slowfood. Im Unterschied zu Massengelagen, die, wie die Weinmesse im Logenhof, „Guinness-Rekorde im Flaschenköpfen aufstellen wollen“, sei ihm weder an einem Konsumwettrennen gelegen noch an einer Nabelschau für den Berliner Weinhandel. Ihm gehe es um eine Verbindung regionaler Weintraditionen mit Genussfreundlichkeit und Bewusstwerdung – im Dialog zwischen Weinveranstaltern und Besuchern.

Die machen sich freilich rar. Steinhagen, eine lebensfreudige Erscheinung in gelber Blümchenkrawatte, rotem Jacket und blauem Hemd, spricht davon, die zirka 1.000 Besucher vom letzten Jahr zu überbieten. Der Kartenabreißer ist da skeptischer: „Den Vorläufer ,Vinoblesse‘ mitgerechnet, werden es jedes Jahr weniger.“ Auch ein Besucher vom Berliner Weinhandel misstraut dem „Stellenwert“ des Events.

Dabei sind die Aussteller ganz aus dem Häuschen. Solche, die das erste Mal dabei sind, wie die Vollkornbäckerei Steinmühle des mit Behinderten arbeitenden Vereins „Biotop“, platzen vor Engagement geradezu aus den Schlauchnähten und überschwemmen den Neugierigen mit alten Benediktinerformeln für die Weinverkostung, Adressen von Internet-Homepages und Proben köstlicher „Mosel 2000“-Preisträger.

Schließlich zieht Slowfood, die große internationale Verschwörung für bewusstes Essen, hier einige der entscheidenden Fäden. Da wird man, wie Manfred Schmidt es ausdrückt, „kein Multimillionär, aber man will besser lebe“. Und da mokiert sich auch keiner, wenn jemand wie Dietmar Prudix von der Rügener Edeldestillerie in Lieschow aus Enthusiasmus für seine einzigartigen Schnäpse und Liköre – nur aus endemischen Obstarten – seine Krawatte mit Äpfeln und Birnen ziert.

Manual Rivera/Sinnflut ‚/B‘ Die Lucullissima ist heute noch bis 18 Uhr geöffnet. Sorat-Hotel, Alt-Moabit 99

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