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■ Spanien, ein Paradies für Nazis und Neonazis
Spanien übte auf die internationale Naziszene von jeher eine besondere Anziehungskraft aus. Bis zu seinem Tod 1975 hielt Diktator Francisco Franco seine schützende Hand über flüchtige Rechtsradikale. Die meisten von ihnen kamen aus Hitler-Deutschland. Der ehemalige SS-General Wolfgang Jugler lebt ebenso ungestört in Spanien wie der KZ-Arzt aus Mauthausen, Albert Heim, oder der in Deutschland wegen seiner publizistischen Tätigkeit zu 22 Monaten Haft verurteilt Offizier der Waffen-SS, Otto Remen.
Auch nach dem Tod des Diktators gilt Spanien der extremen Rechten weiterhin als Zufluchtsstätte, wo sie auf ein gutes Netz von Alt- und Jungfrankisten bauen können. Begünstigt wurde dies durch das erst 1995 reformierte spanische Strafgesetz. Anders als in den meisten europäischen Staaten fielen hier rassistische und antisemitische Hetzpropaganda unter die Meinungsfreiheit. Ein rechtsfreier Raum, den viele Verleger geschickt auszunutzen wussten.
Der bedeutendste von ihnen ist Pedro Varela. Er verbreitete bis Anfang des Jahres von Barcelona aus mit dem ehemaligen SS-Mann Thies Christophersen die beiden Zeitschriften Kritik und Die Bauernschaft. Der österreichische Neonazi Gerd Honsik bot über Varelas Verlagsbücherei Europa sein Blatt Halt und sein Landsmann Walter Ochsenberger den Sieg an.
Außerdem hatte Varela Plakate, Aufkleber, Bücher und Videos in verschiedenen Sprachen im Programm. In einer 1.400-seitigen Adressenkartei fanden sich namhafte Mitglieder der französischen Front National neben den deutschen Neonazigrößen Manfred Roeder und Meinold Schönborn. In Übersee stand Varela mit der gesamten lateinamerikanischen Szene in Kontakt.
Varela wurde Anfang des Jahres als erster hochrangiger Nazi nach dem neuen Strafgesetzbuch „wegen Aufstachelung zum Rassenhass“ zu fünf Jahren Haft verurteilt. Christophersen starb wenige Monate vor der Verhandlung. Honsik und Ochsenberger sind nach der Durchsuchung der Bücherei in Europa untergetaucht. Vermutlich leben beide an der Costa del Sol in Südspanien. Sollten sie verhaftet werden, müssen sie dennoch trotz neuem Strafrecht kaum ihre Auslieferung wegen der zu Hause anhängigen Verfahren befürchten. Das zeigt der Fall von Otto Remen. Er konnte wiederholt vor spanischen Gerichten seine Auslieferung verhindern.
Reiner Wandler
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