: Absturz, Hurrikan, Dax
■ Die Power des Muskopfkanals Radio Television Luxemburg
Obszön is schön, weil's macht geil: Das war gestern. Heute regiert RTL. Das Wort „obszön“ – einst die Herrlichkeiten verheißend, die in der eigenen Hose lagen – ward von den Kölner Krawallos erniedrigt aufs Schweißfußniveau. Und meint nur mehr pornographische Primärplattheiten wie Birgit Schrowange, Birte Karalus, Verona Feldbusch oder, last but not lust, Peter „Pöter“ Klöppel.
Seit fünfzehn Jahren müht sich RTL, beim unzurechnungs-, d. h. konsumfähigen Teil der Bevölkerung, den 14- bis 49-Jährigen also, einen Fuß ins Loch im Kopf zu kriegen, und man triumphiert Jahr für Jahr aufs neue. Die wichtigste „Action“-Figur dabei: Peter „Puper“ Klöppel. Jene „postsozialistische“ (Karl Moik) Generation anpeilend, die es für Geschmack hält, ein Löschpapier mit LSD von einem mit Salamifett unterscheiden zu können, erzielen die TV-Koberer Erfolge sondergleichen. Die integrale Verwandtschaft von Schwachsinn und Jugend resp. Didi und Diederichsen aber durchschaute und bediente niemand perfider als Helmut „Pitbull“ Thoma, der langjährige Diktator des Grusel- und Muskopfkanals. Die begleitende Presse würde „evendöll“ (Karl Kraus) was merken, säße nicht fetthals im Proszenium Peter „Prater“ Klöppel, um alle Aufmerksamkeit auf sich, den gelernten Kartoffelinspektor, zu lenken.
RTL, ein Fortschrittssender, hat das Duale System im Fernsehen eingeführt: Aus dem, was auf den Müll gehört, machen die kölschen Klötenschaukler neue Sendungen („Millennium Love“), ja Serien („Ritas Welt“), zuletzt gar ganze Sender (RTL 2, Super RTL). Am Rhein läßt man nichts verkommen, denn was gestern Mist war, wird morgen nur noch strenger riechen. Inzwischen sitzt Peter „Panther“ Klöppel, der Anker-Mann, den leider keiner kielholt, in seinem News-Studio und freut sich verschmatzt auf Ulrike von der Groeben.
Bitte laut lesen: „Vondergroeben, Vondergroeben, Vondergroeben!“ Was gemerkt? Ja? Das ist sie: die „Power of RTL“ (Eigenwerbung, ca. 1996).
Früher, prä Satellit und Kabel, war natürlich gar nichts besser. Freilich kam damals niemand auf die Idee, Gestalten wie Hugo „Egon“ Balder, Heiner „Standbild“ Bremer oder Peter „Plöppel“ Klöppel auch nur zu casten. Dank RTL sind alle Dämme gebrochen, und Sturzseen des Schmodders, Nichttalents und der Penetranz schwappen durchs Land. Jeder Spacken darf jetzt zum Fernsehen und tun, was er will, und alle wollen das Gleiche. RTL aber ist gleicher.
Man hält's nicht aus und guckt doch immer wieder hin, wenn Günter „Nomen est“ Jauch in „stern tv“ den ehrlichen Kumpel gibt, obwohl er es war, der die Natural-Born-Videos als authentische Ware verkauft hat. Dreister, schamloser, populistischer, analphabetischer ist nichts als die RTL-„Senderfamilie“: „Wir zeigen's Ihnen!“, drohte die Megahertz-Mafia jahrelang im Werbespot. Das Publikum fragt sich seither ängstlich, was es denen getan hat, und schaltet vorsichtshalber ein, wenn Peter „Pump-gun“ Klöppel den pumpernickelschwarzen Scheitel zeigt.
In der Welt ist wie gehabt viel los (Absturz, Hurrikan, Dax), und nie, nie, nie fehlt ein längerer Beitrag über irgendeinen RTL-„Star“. Das Wetter aber sieht voraus: Maxi Biewer. Auch dies bitte laut lesen: „Maxibiewer, Maxibiewer, Maxibiewer!“ Hat es bei Ihnen dahinten endlich geklingelt?
Das Obszönste an RTL jedoch dürfte sein: Niemand, im Grunde nicht mal der Autor, findet Barbara „Meinnameist“ Eligmann oder Peter „Platzhirsch“ Klöppel wirklich obszön. Sie haben „es“ uns gezeigt, und schon war „es“ dahin, erledigt, passé, ein Gerücht nur mehr, ein Anachronismus, ein Fall fürs Buch der ausgestorbenen Wörter. Schweinerei!
Kay Sokolowsky
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