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Ende des Rindfleischkrieges in Sicht

Frankreich will Importverbot aufheben, wenn Großbritannien die Herkunft des Fleisches nachweist. Erkrankung einer 13-Jährigen wirft neue Fragen auf  ■   Aus Dublin Ralf Sotscheck

Großbritannien und Frankreich wollen den Rindfleischkrieg beenden. Beide Regierungen unterzeichneten vorgestern eine Absichtserklärung, in der sich London verpflichtet, die Herkunft der Schlachttiere lückenlos nachzuweisen und Stichproben zuzustimmen. Darüberhinaus soll Rindfleisch aus Großbritannien deutlich als „britisch“ gekennzeichnet werden. Im Gegenzug will Frankreich das Importverbot aufheben, das aus Angst vor der Rinderseuche BSE verhängt worden war.

Nun kommt es auf die 30 Wissenschaftler des Ausschusses für Lebensmittelsicherheit in Paris an. Die französische Regierung hat gestern einen Erlass entworfen, wonach das Embargo aufgehoben werden soll. Der Ausschuss hat nun zehn Tage Zeit zu entscheiden, ob er dem Papier zustimmt. Der französische Landwirtschaftsminister Jean Glavany sagte, seine Regierung könne nicht unabhängige Ausschüsse einsetzen und ihre Empfehlungen dann ignorieren.

EU-Gesundheitskommissar David Byrne hofft, dass nach Frankreich auch Deutschland die Grenzen für Rindfleisch aus Großbritannien öffnen wird. Dazu ist die Zustimmung des Bundesrates notwendig. Das Bundesgesundheitsministerium will die britisch-französische Vereinbarung in Ruhe prüfen. Der französische Markt ist für britische Rindfleischexporteure allerdings weitaus wichtiger.

1996 verhängte die EU ein generelles Exportverbot, das am 1. August 1999 wieder aufgehoben wurde, obwohl auch in diesem Jahr 3.000 neue BSE-Fälle aufgetreten sind. Insgesamt sind seit Mitte der Achtzigerjahre mehr als 170.000 Rinder an der Seuche gestorben. Die britische Regierung erwartet nach der Einigung mit Frankreich, dass der Fleischexport, der 1985 noch 520 Millionen Pfund wert war, bis zum Jahr 2001 wieder auf ein Zehntel dieses Betrages anwachsen wird.

Mitten in die britisch-französischen Verhandlungen ist die Nachricht geplatzt, dass eine 13-jährige Engländerin höchstwahrscheinlich am Creutzfeldt-Jakob-Syndrom (CJS) erkrankt ist. Die neue Variante dieser seit den Zwanzigerjahren bekannten Krankheit wird durch den Verzehr von BSE-Rindfleisch übertragen. Das Mädchen wäre das bisher jüngste Opfer, vermutlich hat sie sich durch infizierte Babynahrung angesteckt.

Der Fall wirft neue Fragen über die infektiöse Dosis des Erregers und über die Umgehensweise der britischen Regierung mit dem Rinderwahnsinn auf. Eine Unterhaus-Kommission hat der damaligen Tory-Regierung bescheinigt, die Gefahren verschleiert und viel zu spät reagiert zu haben. So wurde mechanisch gewonnenes Fleisch – das sind Fleischreste, die durch ein Vakuumverfahren vom Knochen gesaugt werden – erst vor vier Jahren aus der Nahrungskette genommen. Bis dahin konnte es in billigen Fleischpasteten, Würstchen und Hamburgern verwendet werden. Wissenschaftler sind sich inzwischen einig, dass dieses Fleisch ein besonders hohes Risiko darstellt.

Bisher sind 48 Menschen an der Krankheit gestorben. Im Gegensatz zur herkömmlichen Form von CJS, bei der das Durchschnittsalter der Erkrankten 63 Jahre beträgt, sind die Opfer der neuen Variante weit jünger, die meisten sind unter 30. Der Zeitraum zwischen Diagnose und Tod ist dagegen länger, in manchen Fällen liegen mehr als drei Jahre dazwischen.

Die Inkubationszeit beträgt zwischen 5 und 30 Jahren. Deshalb wird man frühestens 2002 wissen, ob sich CJS zu einer Epidemie ausweitet.

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