■ Kommentar: CDU-verdrossen
Neue originelle Ausreden Angela Merkels zur Spendenaffäre
Ach so ist das: Wenn SPD und Grüne jetzt einen Untersuchungsausschuss zu Parteispenden und Waffenhandel rund um die Schreiber-Kiep-Affäre einberufen, dann fördert das die Politikverdrossenheit. So originell denkt jedenfalls die CDU-Generalsekretärin Angela Merkel. Recht hat die Frau. Zumal, wenn sie bei der Affäre darauf hinweist, dass Menschen von solchen Skandalen angewidert sind, die den Eindruck erwecken, Politiker seien käuflich – ja, sie könnten sich noch mehr von den etablierten Parteien abwenden.
Nur: Die CDU-Generalsekretärin verwechselt dabei Ursache und Wirkung. Es ist nicht der Untersuchungsausschuss, der die Menschen irritiert. Es sind die dubiosen Praktiken der etablierten Parteien – und dazu zählt neben der aktuellen Affäre um den ehemaligen CDU-Schatzmeister Kiep auch der Vorwurf, der niedersächsische Ministerpräsident Glogowski (SPD) habe seine Hochzeitsfete allzu großzügig von ein paar Spezis aus der Wirtschaft sponsern lassen. Hier wie da liegt der Korruptionsverdacht nahe.
Alles, was in jüngster Zeit an Fakten, Verdächtigungen und Äußerungen zu der Schreiber-Kiep-Affäre veröffentlicht wurde, nährt die Vermutung, dass sich die CDU zu Zeiten Helmut Kohls und seines Generalsekretärs Volker Rühe obskurer Geschäftsmethoden bediente, um ihre desolate Finanzlage zu beheben. Im Grunde lässt sich nur so erklären, dass die Partei 1989 noch 40 Millionen Mark Schulden hatte und schon drei Jahre später wieder gesunde Finanzen vorweisen konnte.
Die jetzige CDU-Generalsekretärin kann glaubhaft versichern, dass sie von den Tricks der damaligen CDU-Geldbeschaffer um Kiep nichts wusste. Doch bei allem parteipolitischen Interesse angesichts der bevorstehenden Landtagswahlen in Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen sollte die Parteispitze der CDU den Untersuchungsausschuss bei der Aufklärung der Spendenaffäre unterstützen. In ihrem eigenen Interesse – und vor allem im Interesse der Glaubwürdigkeit der Politik. Denn sonst werden die Bürger bald nicht nur der CDU überdrüssig, sondern der bürgerlichen Parteien überhaupt. Von Skandalen profitieren letztlich meist rechtsradikale Parteien, sei es in Frankreich Jean Marie Le Pens Front National oder in Österreich Jörg Haiders FPÖ. So weit mochte Angela Merkel wohl nicht denken. Karin Nink
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