: Prinzip „Zugangsfairness“
■ Der Medienrechtler Wolfgang Hoffmann-Riem wird heute Verfassungsrichter
Freiburg (taz) – Wolfgang Hoffmann-Riem bringt einiges mit, was einen Verfassungsrichter auszeichnen sollte: Er ist erfahren, klug, wissenschaftlich beschlagen, integer und angesehen. Heute wird er im Bundesrat als Nachfolger von Dieter Grimm in den Ersten Senat des Karlsruher Gerichts gewählt. Der ehemalige Hamburger Justizsenator wurde von der SPD für dieses Amt nominiert. Ob Hoffmann-Riem auch Grimms Zuständigkeit für das Medienrecht übernimmt, ist allerdings völlig offen. Gerade am Ersten Senat besteht die Tradition, Richter „sachfremd“ einzusetzen. Das soll verhindern, dass in Karlsruhe wissenschaftliche Steckenpferde gepflegt werden und die Kollegen dies kaum noch kontrollieren können.
Hoffmann-Riem als ausgewiesener Medienrechtsexperte könnte aber auch dann großen Einfluss nehmen, wenn er bei künftigen Medienurteilen nicht die Entwürfe schreibt. Immerhin leitete er von 1979 bis 1995 das Hamburger Hans-Bredow-Institut, eine interdisziplinäre Medienforschungs-Einrichtung. Deren Nähe zu den öffentlich-rechtlichen Anstalten deutet auch gleichzeitig seinen medienpolitischen Standort an.
Erst jüngst war ihm ein großes ARD-Gutachten zum „Strukturauftrag des öffentlich-rechtlichen Rundfunks“ übertragen worden, das er im Hinblick auf seine Wahl nach Karlsruhe aber zurückgab, um nicht sofort als befangen zu gelten. Zahlreiche andere Expertisen für ARD-Anstalten und Landesregierungen kann er allerdings nicht mehr ungeschehen machen.
Hoffmann-Riem beharrt darauf, dass die Medienlandschaft nicht den allgemeinen Marktgesetzen ausgeliefert werden dürfe. Der Staat müsse zumindest dafür sorgen, „dass ein Höchstmaß an gesellschaftlicher Selbstregulierung möglich ist“. Anders als ordoliberale Theoretiker will er aber nicht nur Kartelle verhindern, sondern „Zugangsfairness“ auf allen Ebenen sicherstellen. Probleme für die Sender sieht Hoffmann-Riem vor allem beim Zugang zu Programmrechten und Übertragungswegen, während aus Sicht der Nutzer die Gefahr besteht, dass der Programmzugang künstlich verengt wird. Als Beispiel nennt er hier eine exklusive Gestaltung der Set-Top-Box beim Pay-TV.
Den öffentlich-rechtlichen Rundfunk will Hoffmann-Riem als Träger „kultureller Vielfalt“ bewahren. Im Rahmen ihrer „Entwicklungsgarantie“ dürften ARD und ZDF grundsätzlich auch Pay-TV veranstalten, so der Jurist 1996 in einem Gutachten. Hoffmann-Riem ist auch dafür bekannt, den Rundfunk-Begriff großzügig zu handhaben und damit Anforderungen an die Privaten sowie Garantien für die Öffentlich-Rechtlichen in den Bereich neuer „Kommunikationsdienste“ zu verlängern.
1995 wurde der parteilose Universitätsprofessor auf Vorschlag der Statt Partei zum Hamburger Justizsenator gewählt. Zuvor ließ er sich aber schriftlich seine Unabhängigkeit von der bürgerlichen Protestpartei bestätigen, für die er im Übrigen keine expliziten Sympathien hegte. Im Senat bildete er das liberale Gegenstück zum damaligen Regierenden Bürgermeister Henning Voscherau (SPD). Während der „Null Toleranz“ nach New Yorker Vorbild propagierte, setzte sich Hoffmann-Riem bewusst für „mehr Toleranz“ ein, vor allem für Drogenabhängige. Nach Ausscheiden der Statt Partei aus Bürgerschaft und Senat musste er 1997 sein Amt wieder räumen.
Überraschend an Hoffmann-Riems Nominierung zum Verfassungsrichter ist eigentlich nur, dass sie erst jetzt erfolgt. Mit seinen 55 Jahren kann er die 12-jährige Amtszeit gerade noch nutzen: In Karlsruhe gilt die Altersgrenze 68. Christian Rath
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