: Plötzlich wissen alle, es läuft nur gemeinsam
■ Wie geht es weiter mit der Rente? Nach langem Streit sucht die Union jetzt das Gespräch mit der Regierung. Arbeitsminister Walter Riester (SPD) nimmt das Angebot gerne an
Berlin (taz) – Die Rente ist nicht sicher. Das weiß die SPD ebenso wie die Grünen und die Union – auch wenn es Arbeitsminister Walter Riester so natürlich nie sagen würde. Eine neue Rentenformel ist notwendig – sonst werden die Beiträge bald wieder steigen und das Rentenniveau trotzdem sinken.
Jetzt sieht es so aus, als würde die Sache endlich ins Rollen kommen. Monatelang hatte die Union die Rentenpläne der rot-grünen Regierung als unsozial und willkürlich gegeißelt. Vor wenigen Tagen bekam Bundeskanzler Schröder einen Brief vom CDU-Vorsitzenden Wolfgang Schäuble: Die Union sei ohne Vorbedingungen bereit, „noch in diesem Jahr“ an einem Rentengipfel teilzunehmen. Schröder und sein Arbeitsminister Walter Riester nahmen das Angebot dankend an. Bis Mitte Dezember brauche die Koalition jedoch noch Zeit, um sich über ihr eigenes Konzept für die langfristige Strukturreform zu verständigen.
Was den Sinneswandel der Union herbeigeführt hat, ist klar: Ihre Politstrategen haben erkannt, dass die Koalition Ernst macht und die Rentenapassung an die Nettolöhne für zwei Jahre aussetzt. Dagegen hatte die Union in den vergangenen Monaten laut protestiert und dafür viel Zustimmung auch von enttäuschten älteren SPD-WählerInnen bekommen.
Doch die Konservativen wissen, dass sie die Gesetzesänderung nicht verhindern können – sie ist nicht zustimmungspflichtig im Bundesrat. Deshalb bieten sie nun Gespräche über eine langfristige Strukturreform an – sie wollen schließlich nicht als Blockierer dastehen. Auch die SPD hat großes Interesse an diesen Gesprächen. Nur so kann sie verhindern, dass die CDU mit dem Thema Rente bei den Landtagswahlen in NRW und Schleswig-Holstein punktet.
Ein Rentenkonsens ist durchaus denkbar, denn die Positionen, vor allem von CDU und Grünen, sind nicht weit voneinander entfernt. Arbeitminister Riester wird von seiner starren Haltung abrücken müssen. Er kann das dann damit begründen, dass ein Kompromiss sonst nicht möglich gewesen wäre.
Riesters Rentenberater, Union und Grüne sind sich einig: Das Aussetzen der Rentenanpassung für zwei Jahre und die geplanten Zuschüsse aus der Ökosteuer mildern die Probleme der Rentenkasse, aber sie werden sie nicht lösen. Unisono forderten die Rentenexperten der Grünen und der Union bei der gestrigen Bundestagsdebatte über den Haushalt des Sozialministeriums „eine neue Rentenformel auf der Basis eines Generationenfaktors“.
Die Tatsache, dass die Menschen immer älter werden, wird in der Rentenformel berücksichtigt und führt zu einem niedrigeren Rentenniveau. Riester weiß, dass sein Versprechen, dass die Renten in zwei Jahren wieder mit den Nettolöhnen steigen, nur schwer zu halten ist. Denn die Steuerreform, die vor allem die Familien entlastet, führt automatisch zu höheren Renten. Die Grünen verlangen deshalb, dass die verbesserten Leistungen für Familien und Kinder aus der Rentenerhöhung herausgerechnet werden. Stattdessen wollen sie niedrige Renten, zum Beispiel die von allein erziehenden Müttern, aufbessern.
SPD, Grüne und Union sind sich einig, dass das bisherige Rentensystem durch eine private Altersvorsorge ergänzt werden muss. Riester will dafür besondere Anreize schaffen: Eine Zulage bis zu 250 Mark für geringere und mittlere Einkommen. Da hat auch die Union nichts dagegen. Von der geplanten steuerfinanzierten Grundsicherung, mit der geringe Renten aufgebessert werden sollen, halten die Konservativen dagegen nichts. Doch daran werden sie den Rentenkonsens nicht scheitern lassen.
Denn der Ernst der Lage ist allen klar: Ohne eine grundlegende Strukturreform werden die heutigen Steuer- und BeitragszahlerInnen im Alter mit ihren Renten nicht auskommen. Für die jetzige Rentnergeneration ist gesorgt. Doch deren Kindern und Enkeln droht vielfach die Altersarmut.
Die Jugendorganisationen der Parteien haben schon einmal vorgemacht, wie ein Rentengipfel aussehen könnte. Mitte September trafen sich junge PolitikerInnen von CDU, FDP, SPD und Grünen und stellten fest, dass sie beim Thema Rente im Grundsatz einer Meinung sind: Es führt kein Weg daran vorbei, dass das Rentenniveau in einigen Jahren unter dem heutigen liegen wird. Deshalb müssen Anreize für eine private Vorsorge geschaffen und Einkommensschwache gezielt bei der Altersvorsorge unterstützt werden. Die JungpolitikerInnen meinen, die Beiträge für private und gesetzliche Vorsorge sollten zusammen möglichst nicht über 20 Prozent liegen. Das müssen sie jetzt nur noch den Altvorderen verklickern. Tina Stadlmayer
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