■ Nigeria: Völker gehen aufeinander los! Wohin soll das führen?
: Chaos in Lagos

Ist der demokratische Frühling in Nigeria schon vorbei? Die ethnische Gewalt in Lagos ist ein beunruhigendes Zeichen für ganz Afrika. In der größten Metropole Schwarzafrikas gehen die beiden mächtigsten Völker des bevölkerungsreichsten afrikanischen Landes aufeinander los. Der Krieg zwischen Yorubas und Haussas könnte Nigeria als geeinten Staat zerstören.

So kurz nach dem Ende der langen Militärherrschaft ist das paradox – aber nur auf den ersten Blick. Denn während der Militärdiktatur war zumindest die mächtige muslimische Elite aus dem Norden Nigerias, die vom Haussa-Volk dominiert wird, mit dem System zufrieden. Weder das Yoruba-Volk im Südwesten von Lagos, das sich um die Macht betrogen fühlte, noch die Ibos im Südosten oder die verelendeten Völker der Ölfelder waren stark genug, die Diktatur zu stürzen. Sie renovierte sich aus eigener Kraft. Aber mit dem neuen zivilen System ist niemand mehr zufrieden. Die Yorubas fühlen sich immer noch betrogen, da Präsident Obasanjo zwar ein Yoruba ist, aber sich mit den Resten der nördlichen Herrscherschicht verbündet hat. Die Ibos haben nach wie vor nichts zu sagen, ebenso wenig wie die Völker des Nigerdeltas. Und heute fühlt sich auch der Norden benachteiligt, da er Macht einbüßen musste. So erstarken jetzt überall Tendenzen zur kulturellen Isolation, aus der Wünsche nach einer politischen Abspaltung entstehen. Am radikalsten ist dabei die Yoruba-Organisation „Oodua People's Congress“ (OPC), die jetzt in Lagos regelrechte ethnische Säuberungen betreibt und der jetzt die Regierung den Kampf angesagt hat.

Die wahrscheinlichen Folgen der OPC-Pogrome in Lagos sind abzusehen. Im Norden Nigerias werden Haussa-Banden aus Rache Jagd auf Yorubas machen. Wenn dann gleichzeitig die Polizei in Lagos OPC-Kämpfer verfolgt, festigt sich der Eindruck radikaler Yorubas, von diesem Staat hätten sie nichts mehr zu erwarten. Und zugleich geht der Krieg im Nigerdelta weiter, in dem derzeit nach Eingeständnis der Behörden Jugendliche des Ijaw-Volkes massenweise „wie die Hühner“ sterben.

Von Präsident Obasanjo ist derzeit zu alledem kaum mehr zu hören als der Ruf nach Polizei und Militär. Aber wenn er am 13. Dezember zum Staatsbesuch nach Deutschland reist, ist zu hoffen, dass ihm ein paar bessere Ideen präsentiert werden, die zeigen, dass der Welt das Schicksal von Afrikas größtem Land nicht gleichgültig ist. Dominic Johnson