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■ Faust ballen –und ja sagen
Es gehörte zum Kernbestand grüner Parteiprogrammatik: Die Nato abzuschaffen, am besten die Bundeswehr, auf jeden Fall aber die „innerstaatlichen Repressionsapparate“ wie den Verfassungsschutz, den Bundesnachrichtendienst. Auch die Bundespolizei, der Grenzschutz, sollte so klein gemacht werden wie nur irgend möglich. Daraus wird auch nach einem Jahr Rot-Grün nichts. Obwohl doch der eiserne Sparhaushalt ein vorzügliches Argument zum Schrumpfen geliefert hat.
„Dass wir das Bundesamt für Verfassungsschutz nicht nur nicht abschaffen, sondern sogar noch wachsen lassen, ist ein fatales Signal.“ Der das sagt, ist Christian Ströbele, bündnisgrüner Bundestagsabgeordneter und Parteilinker. Ströbele hat Zeit seines politischen Lebens dafür gestanden, die Sicherheitsdienste sorgfältig zu kontrollieren – am liebsten aufzuheben. Auch in den Beratungen für den Haushalt des Jahres 2000 hat Ströbele das Seine getan – aber spätestens bei dem ehemaligen Grünen, Innenminister Otto Schily, war Schluß.
Auch bei BGS, Bundeskriminalamt etc. müssten, wie im ganzen Haushalt, pauschal 7,4 Prozent gekürzt werden. So forderte es Ströbele und rechnete seine Einsparvorschläge in Mark und Pfennig um. 230 Millionen Mark hätte man bei den Diensten und der Bundespolizei kürzen können: 20 Millionen zum Beispiel durch die Streckung der Munitionsbeschaffung beim BGS. Oder 66 Millionen Mark beim Bundesnachrichtendienst – indem Aufgaben gestrichen und die Organisation gestrafft würde. Oder 37 Millionen Mark beim Militärischen Abschirmdienst – weil dort Doppelzuständigkeiten mit dem Bundesamt für Verfassungsschutz aufgehoben werden könnten. Geworden ist aus alledem nichts. Obwohl auch der grüne Haushälter Oswald Metzger, sonst kein enger politischer Freund Ströbeles, „sich engagiert hat“.
Die Ergebnisse im Haushaltsgesetz sehen anders aus. Zwar sinken die Mittel Schilys ingesamt. Der BGS aber erhält 78 Millionen Mark mehr – obwohl mit dem Wegfall der Grenzkontrollen innerhalb der EU auch 70 Prozent dieses Aufgabengebiets verschwunden sind. Auch das Bundeskriminalamt erhält nun knapp 19 Millionen Mark mehr. Und die Geheimdienste können sich kommendes Jahr eine Etatsteigerung von drei Prozent gutschreiben.
Ströbele findet diese Politik „haushaltspolitisch und inhaltlich falsch: Es suggeriert, dass man durch Aufrüstung der Dienste dem normalen Bürger mehr Sicherheit geben könne.“ Und es unterstütze „den beinahe gesetzmäßigen Zuwachs der Sicherheitsbürokratie“.
Wie hat der Ströbele seine grünes Gewissen bewahrt? Er hat den Einzeletat des Innenministers abgelehnt – dem gesamten Bundeshaushalt aber seine Stimme gegeben. „Wir wollen“, sagt er, „beim nächsten Haushalt sehr früh dafür sorgen, dass das nicht wieder passiert.“
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