: Bürgernahe Hetzparolen
Polizei setzt Aufmarsch von militanten Neonazis in Barmbek durch. 33 Festnahmen bei Gegendemos ■ Von Peter Müller und Andreas Speit
Zum dritten Mal in diesem Jahr hat Hamburgs Polizei mit einem Großaufgebot – unterstützt von Bundesgrenzschutz, Schleswig-Holsteiner und niedersächsischer Bereitschaftspolizei – einen Aufmarsch militanter Neonazis in Hamburg durchgesetzt. Während die Antifaschistische Gruppe Hamburg von einer „Kriminalisierung antifaschistischen Widerstands“ sprach – 33 GegendemonstrantInnen waren vorübergehend festgenommen worden –, feierte Innensenator Hartmuth Wrocklage das polizeiliche Vorgehen gestern: „Das Einsatzkonzept ist hundertprozentig aufgegegangen.“
Als Vorwand für den rechten Auftritt am Samstag in Barmbek diente der Protest gegen den vor zwei Wochen vom Bezirksamt-Nord genehmigten Bauwagenplatz im Wendebecken am Elligersweg. Offiziell hatte die Demo der Landesvorsitzende der Nationaldemokratischen Partei Deutschlands (NPD), Ulrich Harder, angemeldet, der bislang mit militanten Rechten nichts zu tun haben wollte. Doch von Beginn an führten Neonaziführer Christian Worch (Ex-Chef der verbotenen Nationalen Liste) sowie Kader der „Freien Nationalisten“ und des „Hamburger Sturms“ (Steffen Holthussen, Tobias Thießen, Thorsten Bartel, Torben Klebe) Regie. Sprechchöre wie „Lasst Barmbek nicht verrecken, weg mit den Zecken“, „Zieht endlich Leine, asoziale Schweine“ und „Bausenator tret' zurück, nimm die Wagenburg gleich mit“, kündigten den Bewohnern der hermetisch abgeschirmten Region den rechten Spuk an.
Die rund 400 GegendemonstrantInnen der antifaschistischen Szene, die sich immer wieder in den Seitenstraßen versammelten – „Nazis raus, Nazis raus“ – wurden von starken Polizeieinheiten abgedrängt. Die Polizei bahnte dem Neonazi-Treck den Weg durch den Stadtteil; Stoßtrupps sicherten die ansonsten menschenleeren Seitenstraßen ab. In der Straße Langenfort drohte die Eskalation, als Bauwagenunterstützer den Weg versperrten und Barrikaden errichtet wurden. Es kam zu kurzen Schlagstockeinsätzen und Festnahmen.
Wegbereiter für den Neonazi-Protest waren die Kampagne der „Bürgerinitiative gegen neue Bauwagenplätze“ sowie der CDU-Bezirksfraktion in Hamburg Nord, die „Chaos und Gewalt“ am Elligersweg prophezeiten. Das beschwor auch der greise NPD-Mann Harder herauf: Es sei ein „hinterfotziges Verhalten“ des Bezirksamtes, den Platz trotz 4000 Protestunterschriften aus „öffentlichem Interesse“ im Eilverfahren einzurichten. Der Bauwagenplatz sei ein „Ableger der Roten Flora“, es dürften „keine neuen Subkulturen entstehen“.
Worum es den Neonazis eigentlich ging, machte der Kieler miltante Neofaschist Peter Borchert vom „Schleswiger Sturm“, vorbestraft wegen versuchten Totschlag, klar. Durch die Polizeibegleitung gebe es keinen Grund, militant aufzutreten. „Wenn wir die Straße selbst frei halten müssten“, prahlte er, „dann wären wir militant.“ Christian Worch hetzte über die „asozialen Bauwagenbewohner“, die in einem Stadtteil angesiedelt werden, der „unseren Vätern heilig“ gewesen sei. Stattdessen solle man sie auf den Platz für „Landfahrer und Zigeuner“ verbannen.
Die durch den Aufmarsch angestrebte Demonstration von Bürgernähe lief allerdings ins Leere: Auch während der Kundgebung nahe dem Bauwagenplatz blieben die Neonazis unter sich.
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