: Schwere Last auf Glöckner-Buckel
■ Trotz der Stella-Pleite scheint sich der „Glöckner von Notre Dame“ am Potsdamer Platz noch weiter zu drehen. Musical-Betreiber wollen aber weniger Geld an Daimler zahlen
Am Wochenende war viel los am Potsdamer Platz: Die einen waren im Weihnachsteinkaufsstress, die anderen wollten ins Kino oder mal nachschauen, ob im Musical-Theater am Marlene-Dietrich-Platz noch der „Glöckner von Notre Dame“ läuft –wegen der Pleite des Musicalriesen Stella.
Die kommenden Aufführungen des von der Kritik wenig geliebten Musicals scheinen aber gesichert, zumindest für die nächsten drei Monate. Verheißungsvoll war auch das Wochenende: Alle vier Vorstellungen waren ausverkauft. Damit das möglichst so weitergeht, verbreitete gestern sogar Insolvenzverwalter Jan Wilhelm Optimismus. Betrieb und Arbeitsplätze könnten in kurzer Zeit gesichert werden. „Es ist erstaunlich, wie dieses Unternehmen kampfbereit ist“, meinte Wilhelm.
Das könnte bald auch der DaimlerChrysler-Konzern zu spüren bekommen, der der Stella AG das Theater am Potsdamer Platz eigens für die Glöckner-Aufführungen bauen ließ, entworfen vom italienischen Nobel-Architekten Renzo Piano. „Im Rahmen der Insolvenzgespräche werden wir auch über die Miete reden müssen“, sagte Glöckner-Geschäftsführer Maik Klokow gestern der taz. Stella habe mit DaimlerChrysler eine marktübliche Miete für das Theater vereinbart. „Diese muss jetzt gesenkt werden“, forderte er. Man könne sich jetzt nicht mehr an historisch-unrealistischen Vorgaben orientieren. Zur aktuellen Miethöhe wollte Klokow jedoch keine Angaben machen.
Was aus dem Theater am Potsdamer Platz nach einem möglichen Ende der Glöckner-Aufführungen wird – an solchen Spekulationen wollte sich Klokow nicht beteiligen. „Ich gehe davon aus, dass wir länger als drei Monate weiter machen können.“ Schließlich sei die Glöckner-Produktion, die mehr als 40 Millionen Mark verschlungen hatte, das Zugpferd von Stella.
Für das im Juni angelaufene Musical erwartet Klokow im Jahresdurchschnitt eine Auslastung von 84 Prozent. Durch konsequente Kosteneinsparungen habe Stella aber erreicht, bereits bei einer Auslastung von 65 Prozent Gewinn zu erwirtschaften.
Rund 300 Mitarbeiter sind bei der Glöckner-Produktion beteiligt. Noch einmal so viele Jobs hängen indirekt daran: in Zulieferbetrieben oder in der Gastronomie. „Trotz des Insolvenzantrages wird es keinen Arbeitsplatzabbau geben“, ist sich Klokow sicher.
Der größte deutsche Musical-Konzern hatte am Freitag einen Insolvenzantrag gestellt. Grund war nach Darstellung der Stella-Manager das Verhalten des Mehrheitsaktionärs Hypo-Vereinsbank, der das Sanierungskonzept nicht finanzieren wolle. „Die Bank ist selbst in Schwierigkeiten“, sagte Klokow. Jedenfalls stecke das Musical-Geschäft in Berlin oder in Deutschland, an dem Stella einen Marktanteil von 50 Prozent habe, nicht in der Krise, so Klokow. Es werde vielmehr gerade umkämpft, weil es Gewinn biete. „In diesem Verteilungskampf bleiben Einbußen nicht aus“, meinte Klokow.
Die Glöckner-Mitarbeiter möchten davon gern verschont bleiben. Ihr Stück dürfte ihnen Hoffnung machen: Nur Frollo, der Bösewicht, stürzt in die Tiefe.
Richard Rother
Portrait Seite 11
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen