: Das undurchsichtige Geflecht des Uwe R.
Wie ein Amtsleiter sich selbst nachträglich 257 Millionen Mark bewilligte: Der PUA Filz nimmt ab heute den dritten großen Stoffkomplex in der BAGS unter die Lupe ■ Von Sven-Michael Veit
Senatsdirektor Uwe Riez, so heißt es, sei ein ausgefuchster Verwaltungsjurist. Und ein gewiefter Taktiker. Und er sei keiner, der sich leicht einschüchtern lasse. Der 48-Jährige hat also Einiges zu verlieren, wenn er heute Nachmittag vor dem Parlamentarischen Untersuchungsausschuss (PUA) Filz aussagen muss. Eines aber wird er wohl behalten dürfen: sein SPD-Parteibuch, mit dem er von 1978 bis 1991 in der Bürgerschaft saß, und das ihm auch sonst so manchen guten Dienst geleistet haben soll.
Der Amtsleiter für Arbeit und Sozialordnung in der Behörde für Arbeit, Gesundheit und Soziales (BAGS) ist Hauptakteur in dem dritten großen Komplex, den der PUA auf seinen Gehalt an Sozialfilzokratie untersucht: Die Millionenzahlungen an den städtischen Beschäftigungsträger Hamburger Arbeit (HAB). Die Ehegatten-Affäre der darüber gestürzten Sozialsenatorin Helgrit Fischer-Menzel und der Skandal um den früheren Altonaer Spitzenpolitiker Michael Pape (beide SPD) sind bereits weitgehend aufgearbeitet.
Als Geschäftsführer der HAB von 1990 bis 1994 hatte Riez gegen die Zuwendungsbescheide der BAGS regelmäßig Einspruch eingelegt; vier Jahresetats von zusammen etwa 257 Millionen Mark flossen ohne rechtskräftige Bescheide an die HAB, weitere 2,9 Millionen Mark waren strittig. Im Dezember 1996 legalisierte das Amt für Arbeit in einem rückwirkenden Sammelbescheid über 260.602.247,78 Mark sämtliche Zahlungen. Das Problem ist nur: Dessen Leiter heißt seit dem 1. September 1996 – Uwe Riez. Alles, was HAB-Chef Riez gefordert hatte, wurde von Amtsleiter Riez nachträglich bewilligt.
Bereits in früheren Vernehmungen waren Zeugen vor dem Ausschuss über diese Vorkommnisse gehört worden. Nach seiner Amtsübernahme habe „Herr Riez die HAB zur Chefsache erklärt“, gab im August sein ehemaliger Stellvertreter Joachim Meyer (auch SPD) zu Protokoll. Riez habe erklärt, „diese Dinge kenne er aus seiner HAB-Zeit schließlich am besten“. So ganz geheuer sei ihm das nicht gewesen, beteuerte Meyer, aber „an Interessenkollision habe ich damals nicht gedacht“.
Damit hatte Meyer auch der Darstellung von Fischer-Menzels Nachfolgerin Karin Roth (SPD, was sonst) widersprochen. Die hatte im Juni 1998 in einem internen Prüfbericht befunden, dass „der Großteil der Vorwürfe gegen Herrn Riez sich nicht bestätigt“ habe. Allerdings hätte er an dem Sammelbescheid nicht mitwirken dürfen. Wegen dieses „Verfahrensfehlers“ sei ein Disziplinarverfahren eingeleitet worden. Dieses wurde vor einem Jahr folgenlos eingestellt.
Zu Unrecht, meint PUA-Mitglied Norbert Hackbusch. Der Regenbogen-Parlamentarier listete gestern die aus seiner Sicht offenen Fragen in der HAB-Affäre auf. Von „möglicherweise illegalen“ Rücklagen, die von der HAB unter ihrem Geschäftsführer Riez gebildet worden seien, wusste Hackbusch zu berichten, und von einem „inzwischen selbst für den PUA nahezu undurchsichtigen Geflecht“ aus „Doppelfinanzierungen durch Abschreibungstricks“, unvollständig an die BAGS weitergeleiteten Vorsteuererstattungen und manchem mehr. Eine „rechtliche Überprüfung des Verdachtes auf Subventionsbetrug“, so Hackbusch, müsse erfolgen. Seine „erste Schlussfolgerung“ sei, dass Uwe Riez „als Amtsleiter nicht zu halten“ sei.
So geht das nicht, meint hingegen PUA-Vorsitzender Günter Frank (ebenfalls SPD), und pocht auf „den Grundsatz der Unschuldsvermutung“. Hackbusch habe einen „Hang zur Vorverurteilung“ erkennen lassen und drohe, „sich als befangen zu deklarieren“.
Die Vorlage wird Uwe Riez vermutlich gerne annehmen. Vor gut einem Jahr, am 6. November 1998, sollte er in Fischer-Menzels Ehegatten-Affäre vor dem PUA aussagen. Und stellte gleich zu Beginn Befangenheitsanträge „gegen einige Mitglieder“ in Aussicht, falls er „als Beschuldigter geladen“ sei. Damals beruhigte Frank ihn: „Sie sind heute nur als Zeuge hier.“
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen