: Schiff kriegt Sozialwohnungen
Bei Blohm + Voss wurde gestern die modernste Fregatte der NATO getauft. Dabei gab es Proteste gegen das neue Rüstungsprogramm ■ Von Kai von Appen
Protest zu Wasser und zu Lande: Aus Anlass der Taufe der neuen High-Tech Fregatte „Sachsen“ auf der Thyssen-Großwerft Blohm + Voss demonstrierten gestern FriedensaktivistInnen gegen das Rüs-tungsprogramm der Bundesmarine vor dem Werkstor im Hafen sowie mit einer Barkasse vor der Schiffbauhalle auf der Elbe.
Zu der militärischen Zeremonie in der Schiffbauhalle waren eigens Ingrid Biedenkopf nebst Gemahl, Ministerpräsident Kurt, angereist. Sachsens First Lady wünschte dem Kriegsschiff bei der Taufe „immer eine Handbreit Wasser unter dem Sonar“.
Für die KriegsgegnerInnen ist der Bau der Mega-Mehrzweckfregatte der „Klasse 124“ in Zeiten des Sozialabbaus und der Entspannung allerdings ein Unding. „Die 'Sachsen' ist nicht nur eine neue Fregatte“, erläutert Jürgen Fahrenkrug von der Friedensinitiative-Mümmelmannsberg, „sondern eine neue Qualität in der Seekriegsführung.“
So eröffnet das 143 Meter lange und 29 Knoten (knapp 54 Stundenkilometer) schnelle Schiff in der Tat der Bundesmarine neue Möglichkeiten: Es verfügt über modernste Luftabwehrtechnik und Flügkörper und kann unter eigener Regie weltweit Seegefechtsverbände führen. Die „Sachsen“ ist auch bes-tens geeignet, durch ihre an Bord stationierte Hubschrauberstaffel vor fremder Küste bis tief ins Land hinein zu operieren.
Die „Sachsen“ ist der Prototyp von drei Schiffen, die in den nächsten Jahren als „Hamburg“ und „Hessen“ für die Bundesmarine gebaut werden sollen. Mit Baukosten von 1,5 Milliarden Mark handelt es sich um das teuerste Kriegsschiff in der Geschichte der Marine und zugleich um die modernste Nato-Fregatte der Welt.
Das Fregatten-Programm wird insgesamt sieben Milliarden Mark verschlingen. Hinzu kommt noch der geplante Bau von 15 Korvetten, für sechs Milliarden Mark. „Wenn die rot-grüne Bundesregierung Glaubwürdigkeit zurückgewinnen will“, schimpft die Regenbogen-Bürgerschaftsabgeordnete Heike Sudmann, „muss sie das irrsinnige Programm stoppen.“
Für Fahrenkrug, von Beruf Städteplaner, passen solche Rüstungsprogramme zudem nicht in eine Zeit, in der überall gespart werden muss. „Für das Geld, was die 'Sachsen' verschlingt, könnten in Mümmelmannsberg alle Sozialwohnungen neu errichtet werden“, rechnet er vor. „Die 1,5 Milliarden wären besser in den Bau von 169 Grundschulen à acht Klassen nebst Personalkosten für LehrerInnen ausgegeben worden.“ Und das Argument, dass Rüstungsproduktion Jobs schafft, lassen die Rüstungsgegner nicht gelten. Waren früher bei B + V im zivilen Schiffsbau 4000 Arbeiter beschäftigt, sind heute noch noch 400 im Schiffsneubau tätig.
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