Rüsten für den Ernstfall

■  Stefan Liebich, wirtschaftspolitischer Sprecher der PDS-Fraktion, will seine Wahlversprechen an der Kassenlage ausrichten und fordert Sparen mit Augenmaß

taz: Der PDS-Arbeitsminister von Mecklenburg-Vorpommern, Helmut Holter, hat jüngst für eine Realo-Politik geworben. Man müsse den Leuten erklären, dass man nicht alle Wahlversprechen erfüllen könne. Welches Versprechen wird die Berliner PDS brechen?

Stefan Liebich: Uns in Berlin ging es darum, im Wahlprogramm einerseits zu sagen, was nötig ist, aber andererseits nur Vorschläge zu machen, die auch finanzierbar sind, damit wir für den Ernstfall einer Regierungsbeteiligung gerüstet sind.

Wie viele Kindergärten würde die PDS im Fall der Fälle dicht machen?

Einige Kindergärten müssen ohnehin geschlossen werden, weil es einfach nicht genügend Nachwuchs gibt. Das haben im Übrigen auch schon PDS-Bürgermeister durchgesetzt. Die Frage ist eher, was mit den Elternbeiträgen passiert. Wir würden uns wünschen, diese abzuschaffen. Wir verzichten aber auf eine solche Forderung, weil sie bei den finanziellen Möglichkeiten des Landes nicht zu realisieren ist. Wir verlangen lediglich, dass die Erhöhung der Elternbeiträge der vergangenen Jahre rückgängig gemacht wird.

Das Land Berlin ist hoch verschuldet. Es gibt wesentlich mehr für Zins und Tilgung aus als für Arbeitsmarktpolitik. Würde auch die PDS die Konsolidierungspolitik der bisherigen Finanzsenatorin verfolgen und die Nettoneuverschuldung absenken?

Die prinzipielle Richtung, die Fugmann-Heesing eingeschlagen hat, ist sinnvoll. Allerdings darf man die Absenkung der Nettoneuverschuldung nicht zum Wert an sich erklären, sondern muss auch sagen, welches Ziel man damit verfolgt. So lange es noch so viele sinnlose Ausgaben gibt, ist es besser, über deren Kürzung nachzudenken als über eine höhere Verschuldung. Denn diese engt die Spielräume der zukünftige Haushaltspolitik in einem nicht vertretbaren Maße ein.

Wo würden Sie den Rotstift ansetzen? Beim Personal?

Die Personal-Ausgaben sind zu hoch. Das bestreitet in Berlin keine etablierte Partei – wir auch nicht. Wir halten aber den Weg, nach dem Rasenmäher-Prinzip Stellen abzubauen, für falsch. Sinnvoller wäre es, Arbeit und Einkommen im öffentlichen Dienst umzuverteilen. Wir schlagen hier eine Arbeitszeitverkürzung vor – mit vollem Lohnausgleich bei den unteren und mittleren Einkommensgruppen. Die besser Verdienenden müssten darauf verzichten. Dadurch könnte ein Einstellungskorridor für junge Leute geschaffen werden.

Wie kommt das denn bei den Beschäftigten an?

Natürlich haben die Gewerkschaften zum Teil etwas andere Vorstellungen. Wir sind aber keine Gewerkschaft, sondern eine politische Partei, die Verantwortung übernehmen will. Als Partei haben wir auch die Interessen des Landes zu vertreten. Das Land ist hier nun einmal die Arbeitgeberseite.

Natürlich muss es auch einen Stellenabbau geben: Bei der Polizei könnte man zum Beispiel sofort das Orchester, die Reiterstaffel und die Freiwillige Polizeireserve auflösen. Aber die Personalausgaben sind nur ein Teil des Haushaltsproblems. Es gibt noch weitere Ausgaben, die zumindest in ihrer Höhe überflüssig sind: Die Messe Berlin und der Großflughafen sind zum Beispiel überdimensioniert, ebenso Entwicklungsgebiete wie die Wasserstadt Spandau.

Können die Einnahmen des Landes erhöht werden?

Der Senat hat die Stellplatzabgabe abgeschafft, das ist ein Fehler. Man muss die Finanzämter besser ausstatten, damit die fälligen Steuern auch wirklich eingetrieben werden. Außerdem wollen wir eine Infrastruktur-Abgabe, die Investoren zahlen müssen. Wer am Potsdamer Platz seine Gebäude errichtet, muss sich auch an den Erschließungkosten beteiligen. Jeder Eigenheimbesitzer muss schließlich die Straße vor seiner Haustür mitfinanzieren.

Die Investoren stehen nicht gerade Schlange. Der Senat will sie mit diversen Vergünstigungen anlocken.

Es ist ein Irrglaube, dass man Investoren damit anlockt, indem man ihnen alle Belastungen abnimmt. Das hat schon in der Vergangenheit nicht funktioniert.

Sie wollen einen öffentlichen Beschäftigungssektor etablieren. Wie soll der finanziert werden?

350.000 Menschen in der Stadt suchen eine existenzsichernde Arbeit. Im kulturellen und sozialen Bereich ist aber genug Arbeit da ...

... die keiner bezahlen will.

Man kann die bisherigen Mittel der Arbeitsmarktpolitik – wie die für Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder Lohnkostenzuschläge – dafür verwenden, dauerhafte Arbeitsplätze zu finanzieren. Ansonsten muss man das aus Steuermitteln bezahlen. Ein erster Schritt wäre es, die wirtschaftsnahen Arbeitsfördermittel verstärkt in den zweiten Arbeitsmarkt zu investieren. Der Senat hat in der letzten Legislaturperiode ein Programm mit Lohnkostenzuschüssen für kleine und mittlere Unternehmen aufgelegt, die Arbeitslose zeitweise einstellen. Aber bis heute kann keiner sagen, wie viele dauerhafte Arbeitsplätze dadurch entstanden sind.

Klar ist aber, dass wir nicht von heute auf morgen einen solchen öffentlichen Beschäftigungssektor schaffen können. Dafür ist nicht genug Geld da. Wir leben auf keiner einsamen Insel, auf der wir die Haushaltspolitik völlig umstürzen können.

Interview: Richard Rother