: Querspalte
■ Lieber Gott,
alter Zauselbart. Wie geht's denn so? Was macht der Himmel? In letzter Zeit hast DU DICH ja ein wenig rar gemacht. DEIN Sohn ist bald 2.000 Jahre tot, DEIN Stellvertreter auf Erden arg hinfällig. Und jetzt das! Kurz vor Weihnachten! Rot-Grün will GOTT aus dem Grundgesetz streichen. „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen (...) hat das Deutsche Volk (...) kraft seiner verfassungsgebenden Gewalt dieses Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland beschlossen“, heißt es in der Präambel vom 23. Mai 1949. 50 Jahre lang lebte der gemeine Bunzbürger mit dem feinen Gefühl, dass hinter allem, was Adenauer, Kohl oder Schröder taten bzw. tun, DEINE unendliche Macht stand bzw. steht.
DU gabst uns das Wirtschaftswunder, schufst die Grünen und rettetest zuletzt die lahme Firma Holzmann. Oder warst DU daran auch schon nicht mehr beteiligt? Ist die rot-grüne Regierung deshalb jetzt auf DICH sauer? Der rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Volker Beck, bezeichnete DICH als „nicht zeitgemäß“. Hast DU nicht überhaupt erst die Zeit geschaffen, damals bei der Genesis? Und das in sieben Tagen? Das soll DIR Volker Beck erst mal nachmachen. Die niedersächsische SPD-Umweltlyrikerin Monika Griefhahn nennt DEINE Erwähnung im Grundgesetz gar „heuchlerisch“. Eine Frau, die so schlechte Reimverse zusammenklöppelt, sollte mal DEIN größtes Werk lesen und schweigen. Hörst DU die Stille?
Aber womöglich steckt in den Verleumdungen doch ein Körnchen Wahrheit, und DU solltest DICH eine Weile aus dem Geschäft zurückziehen oder gleich ganz in Rente gehen. Und damit das dann mit der Verantwortung im Grundgesetz auch wieder seine Ordnung hat, schlage ich – ganz bescheiden – vor, ersatzweise DEIN Ebenbild zu nehmen:
Michael Ringel
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